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Ostwärts Reisen

Auf in den Norden

Ich war mit meiner kleinen Tochter alleine in die Mongolei geflogen, weil die Mama in Berlin eine neue Stelle angetreten hatte. Nach einigen äußerst erfüllten Tagen in Ulaanbaatar und auf Munkhtsetsegs Datscha stand nun endlich die erste Reise an.

Meine Schwägerin Uyanga und mein Schwager Tulga warteten schon um halb sieben vor unserer Tür. Was gut war, denn auf diese Weise ließ sich der übliche Megastau von Ulaanbaatar umgehen. Wir kamen gut raus aus der Stadt und erreichten über den Flughafen die asphaltierte Straße in Richtung Darkhan und weiter an die russische Grenze. Man musste Acht geben auf Schlaglöcher und besonders offensive Verkehrsteilnehmer, doch insgesamt kamen wir mit durchschnittlich hundert Stundenkilometern ganz gut voran. Wir – das waren Tulga, seine Frau Lkhavaa und die drei Kinder – der fast schon erwachsene Munkh mit seiner damaligen Freundin Khulan, der sechsjährige Enerel und die kleine Enkhjin in Soanas Alter. Dazu meine Schwägerin Uyanga, deren Tochter Nomin und natürlich Mama. Am Mittag erreichten wir die Bergbaustadt Darkhan, von wo es nur noch hundert Kilometer bis zur russischen Grenze waren. Nachdem wir im Aimakzentrum Sukhbaatar einige Einkäufe erledigt hatten, bogen wir kurz dahinter links in einen Schotterweg ein, an dessen Ende drei oder vier nicht allzu stark frequentierte Feriensiedlungen lagen. Russland war sehr nah, was ein kleiner mongolischer Grenzposten bezeugte.

Wir entschieden uns für eine Bungalowsiedlung, die wir exklusiv als einzige Gäste bewohnten. Der Großteil der Familie fand in einem großen Holzhaus in der Mitte Platz. Das junge Pärchen Munkh und Khulan sowie Soana und ich bezogen zwei sehr kleine Zwei-Bett-Baracken. Hier konnte ich meine Kleine nach Abendessen und Zähneputzen zum Schlafen bringen. Und weil das wieder gut klappte, wurde mir seitens der Familie nahezu götzenhafte Verehrung zuteil. Mongolische Kinder gehen schlafen, wann sie wollen. Sie fallen einfach um. Das gilt vor allem für die Ferien, nicht selten aber auch im Alltag. Vielleicht kommt es daher, dass es vielen Mongolen auch später schwerfällt, sich zeitlich festzulegen. Jedenfalls wurde ich wie ein Held gefeiert und vermutlich auch beneidet, weil ich den gemütlichen Teil des Abends ungestört von zunehmend quengeliger werdenden Kindern verbringen konnte. In heimeliger Campingatmosphäre irgendwo an der mongolisch-russischen Grenze.

Hoch über dem Zusammenfluss von Orkhon und Selenge.

Der folgende Tag war der schönste der ganzen Reise. Zunächst fuhren wir nach Sukhbaatar, wo wir rechts abbogen, um die Stadt am Bahnhof vorbei in Richtung Nordwesten zu verlassen. Nach knapp zehn Kilometern erreichten wir die Felsen von Saikhany Khotol. Als wir aus unserem Auto stiegen, kamen sogleich ein paar mongolische Grenzer von ihrem Ausguck herunter. Normalerweise hätten wir uns als Ausländer im Grenzgebiet registrieren müssen, doch sie wollten uns nicht vertreiben, sondern lediglich die Pässe sehen und die Daten aufnehmen. Weil Soana noch so winzig war und ohnehin eher mongolisch aussieht, wurde sie überhaupt nicht beachtet. Sie bestand aber darauf, dass den Soldaten auch ihr Pass gezeigt wurde, womit sie die Herzen aller Beteiligten gewann.

Es sind nur ein paar hundert Meter vom Parkplatz bis zu den Felsplateaus von Saikhany Khotol, wo sich eine atemberaubende Aussicht auf das Tal von Selenge und Orkhon bietet. Aus großer Höhe lässt sich beobachten, wie die beiden längsten mongolischen Ströme kurz vor der russischen Grenze zusammenfließen, um nun dem Baikal zuzustreben. Wie an vielen besonderen Orten in der Mongolei stand auch hier ein Ovoo, eine schamanistische Steinpyramide, die die Geister der Natur beschwören soll. Ich wollte für weiteres Reiseglück beten und auch ein wenig angeben. Nahm also einen Stein, ließ ihn Soana in den Ovoo stecken und absolvierte mit ihr die vorgeschriebenen drei Umrundungen. Ich hatte Applaus erwartet, doch als wir fertig waren, sagte Bruder Tulga nur: „Wrong direction, man.“ Die Mongolen sind keine Japaner.

Weiter gings zum uralten Eej Mod (Mutterbaum) ein paar Kilometer südlich von Sukhbaatar. Er wird als heiliger Baum der Mongolen verehrt und soll die Schnittstelle bilden zwischen der realen und der schamanistischen Geisterwelt. Anhänger des Schamanismus kommen aus der ganzen Mongolei und gar aus Japan und Korea hierher, um die Geister um ihr Wohlwillen zu bitten. Zwei Jahre bevor wir diesen Ort besuchten, hatte es ein Pilger aber übertrieben und den Baum mit einem Feuerstäbchen versehentlich entzündet. Dazu wird beigetragen haben, dass der Eej Mod von hochprozentigem (Opfer)Wodka geradezu getränkt war. Über blieb nur der Stumpf, was der Verehrung dieses Ortes jedoch keinen Abbruch tat. Ich bin zwar kein sonderlich spiritueller Mensch, kann dem uralten Naturglauben der nordasiatischen Völker aber durchaus etwas abgewinnen. Es geht nicht um gesellschaftliche Dogmen, die immer auch etwas mit Hierarchien zu tun haben, sondern einfach nur um die Einheit von Natur und Mensch.

Höhepunkt des Tages war ein Bad im Orkhon, des wichtigsten mongolischen Flusses. Auf abenteuerlichen Sandpisten fanden wir eine geeignete Stelle direkt neben der Trasse der Transmongolischen Eisenbahn. Die Passagiere des einzigen vorbeifahrenden Zuges konnten einer glücklichen mongolischen Familie beim Planschen zusehen. Ich war ein Teil davon und dankbar für dieses Privileg.

Abends in unserer Feriensiedlung. Bruder Tulga, Schwester Uyanga und Mama Oyunaa.

Ein kleiner Schreck und nochmal Baden an der Bahn

Am nächsten Morgen brachen wir wieder in Richtung Ulaanbaatar auf. Soana aß nicht gut und wir machten den Fehler, den zum Frühstück gereichten Milchreis im Auto mitzunehmen und ihr auf der Fahrt einzuflößen. Das war bei der Hitze keine gute Idee. Dreimal übergab sie sich auf meine Klamotten. Der Ausflug zu einem weiteren Jurtencamp stand zwischenzeitlich zur Disposition, doch da die Kleine abgesehen vom verdorbenen Magen keine Symptome zeigte, schien es mir ok, beim ursprünglichen Plan zu bleiben. Allerdings mussten noch etwa 20 Kilometer offroad bewältigt und unter anderem zwei Flüsse durchquert werden, was sich ewig hinzog. Am Abend konnten Soana und ich endlich unsere Jurte beziehen. Ich wechselte die Klamotten und gab ihr etwas Brot. Beim Abendessen in der Kantinenjurte schlug sie richtig zu, womit sich ihre und auch meine Laune erheblich besserte. Wir gingen noch kurz zum Spielplatz und dann brachte ich sie zu Bett. Es war alles dringeblieben und der kleine Schreck offenkundig überstanden.

Ich hatte an diesem Tag kaum etwas gegessen. Deshalb war die Freude umso größer, als Lkhavaas Bruder plötzlich mit einem Teller voller Khorkhog um die Ecke kam – mithilfe erhitzter Steine in einer im Boden vergrabenen Milchkanne gegartes Lammfleisch. Ich kannte das bereits aus dem vergangenen Jahr und fand es wieder umwerfend lecker.

Unser Jurtencamp befand sich direkt an der Transmongolischen Eisenbahn. Die Station Bayanbuural war in Sichtweite. Hier stoppte der eine oder andere Regionalzug aus Ulaanbaatar. Das Gelände gehörte der mongolischen Eisenbahn und lag etwa 90 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Wir waren in den westlichen Ausläufern des Khentii-Gebirges im Tal des Kharaa, der hinter Darkhan in den Orkhon mündet.

Das nächste Jurtencamp bei der Siedlung Buyanbuural.

Wir waren hierhergefahren, weil ein wesentlicher Teil der Familie von Tulgas Frau Lkhavaa in der Gegend Urlaub machte und in ganz großer Runde verbrachten wir noch einen wunderbaren Vormittag und Mittag in diesem lieblichen Tal. Noch einmal Baden im Fluss entlang der Eisenbahn.

Nochmal Baden an der Eisenbahn.

Am frühen Nachmittag ging es zurück in die Hauptstadt, die wir nach nur zwei Stunden erreichten. Am Abend waren wir kurzfristig bei Solongos Tante und Onkel sowie der fast hundertjährigen Oma eingeladen. Auf dem Weg dorthin konnte ich noch ein paar Gastgeschenke erwerben, doch ich sorgte mich um mein Outfit. Ich hatte für die Kurzreise sparsam gepackt und Soana hatte mit ihren wiederholten Brechattacken meine einzigen beiden Hemden und die gute Jeans vernichtet. Ich musste das Oberhaupt der Familie also in einem abgetragenen Union-Berlin-Trikot und Jogginghose begrüßen, wofür ich mich mehrfach entschuldigte. Wenn es in der Mongolei heißt: „Wir sind bei der und dem eingeladen“, sitzt man nie nur zu viert am Tisch. Die Runde wird fast immer größer als erwartet und auch dieses Mal stießen noch etliche entfernte Verwandte hinzu. Oma hielt immerhin zwei Stunden durch und es wurde wieder ein gelungener Abend.

Ausklang mit Wehmut

Den nächsten Tag hatten Soana und ich für uns. Haushalt, Körperpflege, Einkäufe und vor allem die Wäsche. Natürlich auch der obligatorische Spaziergang zum Kriegerdenkmal und zurück.

Am frühen Abend packten wir schon wieder, weil wir auch die kommenden drei Nächte auswärts schlafen würden. Wir nahmen ein Taxi zu Uyangas Wohnung ganz in der Nähe des renommierten Dschingis Khan-Hotels. Das waren immerhin knapp zehn Kilometer und der Preis war nur etwas überhöht. Mama war wieder so lieb, über Soana zu wachen. Zudem konnte die Kleine ausgiebig mit ihrer Cousine Nomin spielen.

Ich war erneut verabredet. Dieses Mal mit drei guten Freundinnen gleichzeitig. Munkhtsetseg, Munkhzul und Tuya traf ich in der Manhattan Lounge im Süden der Stadt. Die Bar kannte und mochte ich schon seit dem Jahr zuvor, allerdings ging der Abend früher zu Ende, als geplant. Wir hatten allesamt vergessen, dass um Mitternacht der Erste des Monats anbrechen würde und dass die Stadtregierung  von Ulaanbaatar im Bemühen um eine Reduktion des Alkoholkonsums an diesen Tagen jedweden Verkauf und Ausschank alkoholischer Getränke untersagt hatte. Das wäre an sich ok gewesen, jedoch schlossen in diesem Zusammenhang fast alle Bars und Clubs deutlich früher als üblich.

Munkhtsetseg und Tuya hatten am folgenden Tag offenbar dennoch recht lang geschlafen, denn anstatt – wie versprochen – am Vormittag, holten sie Soana und mich erst gegen 15 Uhr von Uyangas Wohnung ab. Alle zusammen wollten wir noch einmal auf Munkhtsetsegs Datscha.

Mit Munkhzul, Munkhtsetseg und Tuya in der Manhattan Lounge auf dem Encanto-Gebäude im Süden Ulaanbaatars.

Soana schläft hoch über dem Datschental im Norden von Ulaanbaatar.

Munkhtsetseg, Tuya und ich hatten uns während des Japanologie-Studiums an der FU Berlin kennengelernt und waren schon viele Jahre eng befreundet. Die Kinder hatten ihren Spaß und wir konnten bei Wein, Bier und Zigaretten noch zwei gemütliche Abende im Garten verbringen. Tagsüber unternahmen wir eine kleine Wanderung, picknickten auf einem kleinen Hügel, Soana schlummerte friedlich über dem Datschental und ich wurde langsam wehmütig. Denn eine ganz besondere Reise war fast vorüber.

Am nächsten Tag brachte uns Munkhtsetseg wieder zu Mamas Wohnung. Die Koffer waren schnell gepackt. Am Nachmittag kam Munkhzul vorbei und brachte ein ganz besonderes Geschenk – ein traditionelles mongolisches Festkleid für Soana. Tuya, die zwei Wochen länger blieb, als wir, wollte noch zwei zeremonielle Gefäße und ein heiliges buddhistisches Tuch besorgen. All dies würden wir für Soanas Haarschneidefest drei Wochen später in Berlin benötigen.

Direkt unterhalb Mamas Wohnung lag im Erdgeschoss ein recht angesagtes chinesisches Restaurant, wo wir als Familie das vorläufig letzte Mal zusammenkamen. Für mich war das insofern praktisch, weil ich Soana wie gewohnt gegen acht Uhr ablegen konnte und die Funkwellen des Babyphones mich auch im Restaurant erreichten.

Es waren alle da, samt der Kinder. Tulga sagte etwas, dann Mama und deshalb fühlte auch ich mich berufen. Es waren ungewöhnliche Rahmenbedingungen, doch am Ende hatte auf wunderbare Weise ein Rädchen ins andere gegriffen. Wir waren nie länger als zwei Tage an einem Ort und hatten in sechs verschiedenen Betten geschlafen. Wie richtige Nomaden. Natürlich wäre es mit Solongo viel besser gewesen, doch ihre Abwesenheit gab mir die Möglichkeit, mich als eigenständiges Glied mit der Familie zu verbinden, wofür ich aus tiefstem Herzen dankbar war. Und natürlich lobte ich auch meine Kleine, die super mitgemacht hatte.

Soana merkte erst am Flughafen in Berlin-Tegel, dass ihr etwas bzw. jemand gefehlt hatte. Das allerdings recht nachhaltig, denn Papa war in den ersten Wochen nach der Rückkehr vollkommen abgemeldet.

Mädchen mit Glatze

Am 25. August 2017 bekam Soana endlich ihre Glatze. Es war ein sonniger Spätsommersamstag. Wir hatten im Park vor unserer Wohnung ein opulentes Picknick aufgebaut, zu dem Familie und Freunde geladen waren. Soana trug ihr mongolisches Festkleid und saß auf einen kleinen Thron. Jeder Gast musste nacheinander an ihr riechen, ihr alles Gute wünschen, eine Locke abschneiden und ein wenig Geld ins Kleid stecken. Ganz am Ende setzte Lira, eine weitere gute mongolische Freundin, ihre Schermaschine an.

Zuvor hatte ich noch eine kleine mongolische Rede gehalten, die mir Munkhtsetseg im Vorhinein übersetzt hatte. Ich muss die Aussprache wider Erwarten ganz gut getroffen haben, denn nicht nur Solongo, sondern fast alle anwesenden Mongolinnen und Mongolen schienen gerührt. Eigentlich sollte Solongo danach etwas auf Deutsch sagen, doch das ging im Schluchzen unter. Die Quintessenz war, dass wir uns bemühen wollten, unsere Kleine zu einer richtigen Mongolin zu machen. Eine Berliner Göre würde sie schon von ganz allein werden.

Jeder schneidet eine Locke ab, steckt ein wenig Geld ins Kleid und gibt ihr einen guten Wunsch mit.

Steht ihr ganz gut…

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Natürlich lässt sich die Mongolei auch mit Kleinkind bereisen. Alles eine Frage der Vorbereitung. Die Mongolen sind ausgesprochen kinderlieb, werden in schwierigen Situationen verlässlich ihre Hilfe anbieten.

Gerade auf dem Land ist es um die medizinische Versorgung allerdings nicht allzu gut bestellt, weswegen eine gut bestückte Reiseapotheke umso wichtiger wird. Gängige Medikamente wie Nurofen gegen Fieber, Ibuprofen, Aspirin, Imodium gegen Durchfall etc. sind auch äußerst geschätzte Mitbringsel für die Nomadenfamilien, die man auf der Reise möglicherweise trifft. Gleiches gilt für Windeln, die in der Mongolei recht teuer sind.

Ansonsten gilt, dass man Wasser nur aus Flaschen oder aber abgekocht reichen soll. Mit Fleisch sollte man gerade auf dem Land eher vorsichtig sein, weil für ungeübte europäische Kindermägen womöglich schwer verträglich. Und natürlich der Kindersitz. Wird von den Mongolen zwar nicht so häufig genutzt, doch wenn man im vergleichsweise zivilisierten Berliner Stadtverkehr darauf achtet, ist er in der Mongolei erst recht angebracht.

An Impfungen werden vor allem Hepatitis A, Tollwut und FSME empfohlen.

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Falk Schäfer
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