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Ostwärts Reisen

Dem Rioni folgend vom Schwarzen Meer in den Hohen Kaukasus

Seit 2019 waren wir jedes Jahr in Georgien gewesen. Selbst in tiefsten Corona-Zeiten. 2024 sollte keine Ausnahme sein, doch weil der Sommer mit der Mongolei und der Herbst mit Oma und Opa verplant waren, mussten wir in den Osterferien reisen. Nicht nur Urlaub, sondern auch ein wenig Recherche und Kontaktakquise. Stets mit der Prämisse, möglichst viel Neues zu erschließen. Ende März/Anfang April war ein wenig früh. Das wussten wir. Schließlich erwacht das Hochgebirgsland zu dieser Zeit erst aus dem Winterschlaf. Viele Pässe waren gesperrt und die Badesaison am Schwarzen Meer lag noch in weiter Ferne. Wir haben das Beste draus gemacht und es war gut, so wie es war.

Kutaissi – die drittgrößte Stadt Georgiens.

Die ungarische Billigairline Wizz bietet derzeit die einzige Direktverbindung aus dem Osten Deutschlands nach Georgien. Zielflughafen ist Kutaissi in der westgeorgischen Region Imeretien. Die drittgrößte Stadt des Landes strahlt ein charmantes Flair aus, weiß vor allem in ihrem Umkreis mit zahlreichen Attraktionen ersten Ranges zu begeistern, doch wir kannten mittlerweile fast jeden Pflasterstein in der kompakten Innenstadt, sodass wir vom Flughafen gleich weiter ans Schwarze Meer wollten.

In der Ankunftshalle erwartete uns mein guter Freund Papuna von der Agentur Cars4Rent. Deren Autos sind etwas teurer als die der Konkurrenz, werden aber besser gewartet und mit Vollkasko angeboten. Auch der Service ist herauszuheben. Manchmal muss man nachfragen, doch immer lässt man mich am Ende glücklich zurück. Mit einem kleinen Rabatt musste ich für meinen Allrad-Geländewagen von Mitsubishi etwas mehr als 500 Euro zahlen. Bei knapp zwei Wochen Mietzeit ein überaus korrekter Preis, wie mir auf Nachfrage überall im Land bestätigt wurde.

Am Magnetstrand von Ureki.

Papuna wartete geduldig, bis wir unsere georgischen SIM-Karten erworben hatten. Beim Geldtausch sollten wir uns zurückhalten, weil die Raten am Flughafen nicht sehr günstig seien. Nach einer kurzen Einweisung in die Funktionsweise unseres Autos fuhr er zurück nach Kutaissi. Wir hingegen wollten ans Schwarze Meer, wofür Google.maps knapp anderthalb Stunden veranschlagte. Der Magnetstrand von Ureki gehört zu den Highlights der georgischen Küste. Erstens, weil er im Gegensatz zu den meisten anderen Abschnitten nicht kieselig, sondern sandig ist, und zweitens, weil der Sand magnetisch aufgeladen ist und in den Sanatorien vor Ort für allerlei Heilanwendungen genutzt wird.

Wellness ist zwar nichts für mich, doch dafür hatte ich mit dem ersten Bad des Jahres geliebäugelt, wovon allerdings schnell Abstand zu nehmen war. Sonnig zwar, doch mit acht Grad am Nachmittag auch recht frisch. Noch ärgerlicher war der Umstand, dass das über Booking.com gebuchte Apartment nicht zur Verfügung stand. Ich hatte die Dame auf der Strecke per Telefon kontaktiert, woraufhin sie mir brüsk beschied, dass es überhaupt keine Buchung gäbe und sie sich ohnehin in Moskau aufhalten würde und nicht mal schnell rüberkommen könne, um die Wohnung herzurichten. Ich sandte ihr meine Buchungsbetätigung als Beleg und schickte an Booking eine böse Beschwerde, doch das änderte nichts an dem Umstand, dass wir uns etwas anderes suchen mussten, was aber auch sehr schnell gelang. Zwar in der zweiten Reihe und ohne Meerblick, dafür geräumig, sauber und nicht sehr teuer. Der liebe Kosta war zudem Georgier und wir gottfroh, dass wir unser Geld nicht bei jemandem lassen würden, der den Großteil des Jahres bei den russischen Besatzern verbringt.

Die Kathedrale der Heiligen Jungfrau in Poti.

Ureki wirkte vollkommen ausgestorben, vermittelte nichts von der überschäumenden Ferienfreude, die wir drei Jahre zuvor hier genossen hatten. Alles war zu und so schickte uns Kosta ins knapp 20 km nördlich gelegene Poti, um dort unsere Besorgungen zu verrichten. Mit knapp 50.000 Einwohnern die siebtgrößte Stadt Georgiens und neben Batumi der wichtigste Hafen. Vor dem Überfall der Russen auf die freie Ukraine legten hier die Fähren aus Odessa an und hoffentlich werden auch wir dereinst diesen Weg nehmen können. An der dann wieder von der Ukraine kontrollierten Krim vorbei mit dem eigenen Auto ins Herzensland Georgien.

Alle Straßen von Poti führen hin auf einen zentralen Platz, an dem sich eine prächtige Kirche erhebt. In unmittelbarer Nähe fanden sich zwei Geldwechselstuben und ein großer Carrefour-Supermarlt. Poti hatte alle Bedürfnisse gestillt, war darüber hinaus allerdings nicht sonderlich sehenswert. Außerdem hatten wir Hunger und wollten das von Kosta empfohlene Restaurant ansteuern. Nicht am Strand, sondern im eigentlichen Ort Ureki nahe dem Bahnhof. Auf der anderen Straßenseite gab es noch ein Gasthaus und das war dann schon die Auswahl weit und breit. Hatte aber auch gereicht, denn wir wurden köstlich bewirtet, verbrachten einen wundervollen ersten Abend und mussten dafür kaum was bezahlen. Bei Soana ließ sich erkennen, womit sie sich in diesem Urlaub hauptsächlich beschäftigen würde, denn sie verfütterte mit glänzenden Augen unser Brot an die Straßenhunde. Gegen mögliche Krankheitserreger hatten wir Desinfektionsspray dabei, darüber hinaus muss man sich kaum sorgen. Keiner der Hunde ist aggressiv, was zum Beweis taugt, wie hervorragend und liebevoll sie von den Georgiern behandelt werden. Kein Vergleich zu anderen Ecken der Welt, an denen man lieber Abstand von Hunden am Straßenrand hält.

Der erste von vielen glücklichen Hunden.

Ausflug in den Kolkheti-Nationalpark

Schon am Abend zuvor hatten wir an der Verwaltung des Kolkheti-Nationalparks vorbeigeschaut. Es war zwar niemand anzutreffen, doch immerhin konnte ich eine Visitenkarte ergattern. Meine telefonischen Recherchen hatten dann ergeben, dass man zunächst zum Nationalparkzentrum muss, um dort die Bootsfahrt zu bezahlen, und anschließend mit dem Auto etwa anderthalb Kilometer zu einem Aussichtspunkt an der Paliastomi-Lagune, wo man den Bootsführer treffen würde.

Der Park umfasst das weite Delta des Rioni- bzw. des antiken Kolchis-Flusses, der sich in etlichen Mündungsarmen ins Schwarze Meer ergießt. Hier lag das sagenhafte Reich von König Aietes, in dessen Tochter sich Jason verliebt und dem die Argonauten das Goldene Vlies gestohlen hatten. Unter den Schutzgebieten Georgiens gänzlich ungewöhnlich, weil ein üppiges Feuchtbiotop und eine von nur wenigen Ebenen in diesem an Bergen so reichen Land.

Mit Karacho über die Paliastomi-Lagune.

Unsere Kleine fütterte wie immer die Straßenhunde, während ich das Organisatorische klärte. Insgesamt zwei Stunden. Zunächst quer über den Paliastomi-See und anschließend in einen der Mündungsarme. In einem Höllentempo. Gestoppt wurde zunächst an einer Auenlandschaft mit Wildblumen ringsherum und später an einem Turm zur Vogelbeobachtung mit herrlichen Sichten auf das Delta, den Paliastomi-See und die Berge in der Ferne. Wir hatten Glück gehabt, denn bei schon wenig Wind und/oder Regen, dürfen Boote nicht verkehren, ist der Seegang zu bedrohlich.

Frühlingserwachen im Delta des Rioni.

Es war erst früher Nachmittag, als das Boot wieder an diesem Aussichtsturm anlegte. Wir hatten also noch Zeit, um mit dem Auto die nahe Küste zu erschließen. An einigen Abschnitten schossen die Ferienhäuser in die Höhe, wieder andere blieben sich selbst überlassen. Was romantisch klingen mag, zeigte sich aber nicht in einsamen, lieblichen Buchten, sondern in Müllbergen und sowjetischen Betongerippen im Hintergrund. Immerhin schien die Sonne. Zum Abendessen schickte uns die Dame vom Nationalparkzentrum nach Poti ins Beer House mit seinem exzellenten Service. Bei der Gelegenheit kurvten wir noch etwas durch die Stadt, waren unter anderem am Hafen, konnten aber nirgendwo etwas Bemerkenswertes entdecken.

Zurück in Ureki genossen wir an der Strandpromenade einen der schönsten Sonnenuntergänge unseres Lebens. Mit der im Meer versinkenden Sonne und dem hinter den Küstenwäldern aufsteigenden Vollmond. Unser nächstes Georgien-Abenteuer hatte begonnen. In einer Woche war Ostern.

An den Thermalquellen von Vani direkt in den Auen des Rioni.

Über Vani nach Okatse

Ziel des Tages war der Canyon von Okatse, gelegen unweit von Kutaissi im Vorland des Hohen Kaukasus. Ziemlich genau in der Mitte des Weges wollten wir eine Rast an den Schwefelquellen von Vani einlegen. Frühstück gab es wie am Tag zuvor in diesem kleinen Familienrestaurant an der Straße. Das Wetter war fantastisch. Meine Frau wusste noch nicht, ob sie sich das Bad in der Frühjahrsfrische antun sollte, doch mit jeder Minute wurde es sonniger und wärmer. Nach knapp anderthalb Stunden Fahrt ging sechs Kilometer östlich des eigentlichen Ortes Vani links von der Straße eine Ruckelpiste ab, über die nach nochmals zwei Kilometern die Thermalbecken erreicht waren. Direkt an den Ufern des Rioni inmitten einer lieblichen Auenlandschaft. Wir waren in Gesellschaft einiger Camper, die allesamt mit ihren eigenen Wohnwagen die lange Reise aus Mitteleuropa nach Georgien zurückgelegt hatten. Aus Schottland, Belgien, der Schweiz und natürlich auch aus Deutschland.

Neben dem aus Naturstein geformten Thermalecken fanden sich zwei notdürftig zusammengezimmerte Umkleidekabinen. Das war es mit der Infrastruktur an diesem fantastischen Ort. Mit uns im schwefligen, knapp 45 Grad heißem Wasser waren Vater und Tochter aus dem Rheinland. Liebe Leute, mit denen man einen netten Schwatz halten konnte. Zusammen mit der Aussicht auf den schneebedeckten Kleinen Kaukasus war das derart angenehm, dass wir fast die Zeit vergaßen. Sowohl meine Frau als auch ich waren dem Kreislaufkollaps nahe, als wir das Becken verließen. Mehr als zehn Minuten am Stück sollte man nicht im Wasser bleiben und erst nach etwas Erholung einen erneuten Gang einlegen. Soana war klüger gewesen, denn sie ist zwischendrin immer mal wieder herumgelaufen, um die Hunde zu füttern.

Die obere Stufe des Wasserfalls von Okatse.

Auch auf der zweiten Halbetappe dieses Tages kamen wir hervorragend voran und erreichten schon am frühen Nachmittag das Besucherzentrum des Okatse-Canyons. Dieses allerdings schien wie verwaist, weshalb mir bereits Schlimmes schwante. Eine Mitarbeiterin ließ uns wissen, dass sie erst im Mai öffnen würden. Schließlich müsste der frei über der Schlucht schwebende Weg aus Metallgittern nach jedem Winter umfangreich restauriert und wieder betriebssicher gemacht werden. Zumindest konnten wir Fotos und ein Modell des Canyons bestaunen, was die Enttäuschung allerdings eher vergrößerte.

Als Alternative schickten sie uns zu einem Wasserfall ein paar Kilometer weiter nördlich. Tatsächlich mehr als nur Ausweichprogramm, sondern einer der spektakulärsten Orte, die wir bislang im Kaukasus gesehen hatten. Auch hier ist hinter dem Besucherzehntrum ein Weg aus Metallgittern angelegt. Allerdings über festem Boden und nicht so spektakulär wie im Okatse Canyon. Man kommt dem Wasserfall so nahe, dass einen die Spritzer erreichen und ein Regenschirm angeraten scheint. Über einem die erste Stufe und unter einem die zweite hinunter ins Tal. Riesige Wassermassen, die über mehr als hundert Meter hinabdonnern.

Näher kamen wir leider nicht heran an den spektakulären Okatse-Canyon.

Weil noch etwas Zeit war, machten wir uns doch noch mit dem Auto auf den Weg zum Okatse Canyon. Erst kürzlich war die knapp zwei Kilometer lange Straße vom Besucherzentrum dorthin asphaltiert worden. Ich hatte ein wenig auf das Laissez-faire der georgischen Arbeiter gehofft, doch selbst mein possierlichster Hundeblick konnte nichts ausrichten. Sie ließen uns nicht auf diesen spektakulären Weg. Stattdessen unternahmen wir einen kurzen Spaziergang durch die wilden Hügel der Umgebung. Mit schönen Sichten auf den Großraum Kutaissi und das weite Tal des Rioni.

Unsere Unterkunft lag beschaulich in einem kleinen Dorf umgeben von bewaldeten Hügeln und fruchtbaren Weiden. Georgien war mal wieder ein einziger Zoo, was vor allem unserer Kleinen große Freude bereitete. Bei unserem Spaziergang durchs Dorf kamen wir an einen Laden für traditionell georgische Süßwaren vorbei. Soana verstand zwar nichts von den allzu ausführlichen Erläuterungen in russischer Sprache, doch mit reichlich Fruchtzucker konnten wir sie wieder gnädig stimmen.

Unten in Tal sind die Ausläufer von Kutaissi zu erkennen.

Für die Nacht hatten wir einen Palast gebucht. Mit zwei Bädern, Kamin und vier Schlafzimmern. Es hätte für acht Leute gereicht, doch auch wir drei mussten nur knapp 40 Euro zahlen. Das Abendessen bestellten wir bei unseren Gastgebern. Alles frisch und selbst zubereitet – vom Wein bis zum Hähnchen. Letzteres haben wir nicht ganz geschafft, fand aber dann doch noch Verwendung. Fleisch zu verfüttern ist nochmal was anderes als nur altes Brot zu geben. In den Augen des Hofhundes nahm Soana vermutlich den Rang einer mildtätigen Heiligen ein.

Abends merkten wir, dass unser kurzer Frühling bald enden würde, denn es wurde kalt beim abendlichen Sitzen auf der Terrasse. Für den kommenden Tag war ein Temperatursturz vorhergesagt.

Der Weg zu unserem Ferienhaus.

Auf dem Weg ins wilde Racha

Auf den ersten Kilometern war es noch ok. Wir erreichten die Straße nach Tsageri und Lentekhi und fuhren weiter hinauf in Richtung Hoher Kaukasus. In Tsageri waren wir froh, dass unser Mitsubishi auch mit 92 Oktan zufrieden war. Für 95 hätten wir wieder hinunter bis nach Kutaissi gemusst. Draußen war es maximal ungemütlich. Nass, windig und mit minus zwei Grad auch reichlich kalt. Hinter Tsageri musste ein erster Pass überwunden werden. Es war gut, dass wir früh dran waren, denn am Abend hörte ich, dass nur ein paar Stunden später hier kaum mehr jemand hochkam. Das Auto schlingerte zwischendrin ein wenig, doch richtig gefährlich war es nicht. Auf der anderen Seite hatten wir die Region Racha erreicht, die neben Kachetien im Osten Georgiens das bekannteste Weinanbaugebiet des Landes ist. Überall erstreckten sich die Weinreben an den Hängen. Epizentrum dieses Treibens ist das Dorf Khvanchkara, doch wie fast überall auf unserer bisherigen Reise war auch hier kaum jemand anzutreffen. Mit etwas Glück konnten wir an der Straße zwei ältere Herren fragen, die sogleich den Chef des Weingutes herbeitelefonierten, der uns dann doch aufsperrte und uns für knapp 20 Euro drei Flaschen von dieser köstlichen halbtrockenen Traube überließ.

Hier in Tsageri hatte das Schneetreiben begonnen.

Auch in Oni – dem Zielort des Tages – war es bitterkalt, nass und tief verschneit. Zudem mussten wir fast eine Stunde auf die Vermieter unseres kleinen Ferienhäuschens warten. Die Kommunikation per Telefon gestaltete sich äußerst schwierig, weil sie weder Englisch noch Russisch verstanden. Als sie endlich da waren, hatte ich Sorge, dass es in diesem einfachen Holzbau warm werden würde, was – wie üblich in Georgien – mit großer Zuversicht quittiert wurde. Die herbeigeilten vier Männer mittleren Alters ließen mich wissen, dass es mit den beiden bereitgestellten elektrischen Heizstrahlern schon gehen würde. Wir sollten sie nur eingeschaltet lassen, wenn wir demnächst essen gingen. Ein ordentlicher deutscher Brandmeister wäre mit dieser Verfahrensweise sicher nicht einverstanden gewesen, doch es hat funktioniert.

Im Zentrum von Oni an der Synagoge.

Als Restaurant hatten sie uns das Eat & Go empfohlen, dass in der georgischen Übersetzung zwar anders hieß, zu dem uns Google.maps aber sicher führte. Vorbei an der alten Synagoge, die daran erinnerte, dass hier in der Gegend noch vor wenigen Jahrzehnten tausende Bergjuden gesiedelt hatten, die mittlerweile allerdings nahezu vollständig nach Israel ausgewandert sind.

Das Eat & Go kam mit seinem Plastik-Mobiliar, dem Laminat-Boden und dem strengen Geruch nicht sonderlich heimelig daher und die vier Männer, die jeweils getrennt voneinander, einsam und mürrisch ihre Khinkali in sich hineinstopften, machten es nicht besser. Angesichts mangelnder Alternativen war es ein glücklicher Zufall, dass wir auf der Straße zwei deutsche Touristen trafen. Die kannten zwar auch keine anderen Restaurants, doch womöglich könnten wir in ihrem Gasthaus nachfragen, ob die Wirtin spontan für uns mitkochen könne. Nach einigem Hin und Her ließ sie sich überzeugen. Wir bekamen zwar kein warmes Abendessen, doch dafür eine reichhaltige Vorspeisenplatte. Das Haus war ein Traum. Geführt von einem Künstlerpärchen, dessen männlicher Part nicht müde wurde, uns all die Holzarbeiten, Bergkristalle, Fossilien etc. vorzuführen, die sie geschaffen bzw. in der Umgebung entdeckt hatten. Im rückwärtigen Teil des Geländes fand sich ein kleiner Stall mit allerlei Kleinvieh, wobei Soana sich vor allem für die jungen Kaninchen interessierte. Und für den Schäferhund Bobo, der nicht nur allein die Tür öffnen konnte, sondern extra seine Schüssel herbeibrachte als Soana ihn füttern wollte. Der Sohn der Familie kam auch bald herbei und erzählte, was wir alles am morgigen Tag anstellen könnten. Wir hatten mal wieder Glück gehabt und auf Anhieb den besten Ort in diesem saisonbedingt noch sehr verschlafenen Örtchen gefunden.

Abends hatte zumindest das Schneetreiben aufgehört.

Georgien in Ekstase

Nach dem Essen schauten wir an einer heißen Mineralquelle vorbei und fuhren danach zurück in die Unterkunft. Die war tatsächlich warm geworden und erst jetzt nahmen wir so richtig wahr, dass sich neben dem Doppelbett im Schlafzimmer ein mächtiger Jacuzzi erstreckte. Als wir am Nachmittag so lange auf die Vermieter warten mussten, hatten wir schon Ausschau nach anderen Unterkünften gehalten. Zehn Minuten länger und wir wären vermutlich weitergefahren. Als sie dann endlich da waren, konnten wir ihnen nichts übelnehmen, weil diese „Alles wird gut, Bruder- Attitüde“ der Wut schnell die Wucht nimmt. Das einzige Problem war, dass sich nirgendwo in diesem Kaff ein Ort finden würde, das wichtigste Spiel der georgischen Fußballgeschichte zu verfolgen. Das ganze Volk und auch ich hatte auf diesen Termin hingefiebert. Am Abend vor unserer Abreise aus Berlin hatten sie im Halbfinale der Quali-Play-offs Luxemburg besiegt. Nun ging es gegen Griechenland um das letzte Ticket für die Fußball-EM im Sommer in Deutschland. Bei einem Sieg würde sich Georgien zum ersten Mal für ein großes Turniert qualifizieren. Doch wo konnte ich das sehen? Beim Abendessen hatte mich dieser Künstler und Hausherr wissen lassen, dass es kein Restaurant mit Leinwand oder so im Ort gäbe, dass alle zuhause gucken würden, aber dass wir in unserer Unterkunft doch sicher einen Fernseher hätten. Hatten wir aber nicht. Jacuzzi ja, TV nein. Ich musste mich dreinfinden und konnte das Spiel noch immerhin am Handy per Live-Ticker verfolgen.

Eine Nation explodiert.

Als sich meine Mädels schon für ihr abendliches Bad fertiggemacht hatten, standen sie plötzlich in der Tür. Mittlerweile sechs mittelalte Herren, denen man das eine oder andere Glas Bier oder Wein bereits ansah. Wir wollten das Spiel doch bestimmt auch sehen, fragten sie. Soana und Solongo waren auch eingeladen, doch die sagten höflich ab, hätten auch nicht mehr reingepasst, denn mit mir waren wir schon zu siebt im Auto. Zunächst ging es in einen der erstaunlich vielen Supermärkte dieses verschlafenen Ortes und dann in den Partykeller unserer Vermieterfamilie. Ich war Gast. Selbst die beiden Packungen Zigaretten, die ich mir kaufen wollte, durfte ich nicht bezahlen. Die Leinwand war schon aufgespannt, doch die Internetverbindung und der Beamer machten Probleme. Dank der versierten Kenntnisse des zehnjährigen Sohnes war bald alles gelöst. Von rechts und links kamen immer mehr Leute herbei. Alle miteinander verwandt. Serviert wurde frischer Weißwein aus eigener Kelterei und der floss in Strömen. Immer wieder musste irgendein Toast ausgesprochen werden. Auf Gott, die Christenheit und den wunderbaren Umstand, dass Gott den Georgiern das Privileg gewährt hatte, in Georgien leben zu dürfen. Auf die Freundschaft, die Familie, die Natur, die Frauen und und und. Auch Bruderschaft musste ich das eine oder andere Mal trinken. Mit zwei Hörnern, verschränkten Armen, Küssen rechts und links und natürlich auf Ex.

Das Elfmeterschießen in voller Länge.

Das Spiel fand in Tbilissi statt, im Boris-Paitschadse-Stadion, der Heimstätte von Dinamo. Chancen waren Mangelware, sodass es unweigerlich auf die maximale Eruption hinauslief. Das Elfmeterschießen. Dort war Georgien zunächst 2:0 in Führung gegangen, musste später aber den Ausgleich hinnehmen. Die drei folgenden Schüsse machten Geschichte. Zunächst ein Treffer für Georgien, dann schrammte der Ball der Griechen Millimeter am Tor vorbei und schließlich trat der aktuell bei Lech Posen unter Vertrag stehende Nika Kvekveskiri an. Der griechische Torwart war fast dran gewesen, doch der Ball schlug unten links etwas mittig ein. Was folgte war pure Ekstase. Bei uns im Partykeller und in Tbilissi, wo förmlich alle Dämme brachen, die Fans von den Rängen auf die Tartanbahn hinabpurzelten und in den Innenraum strömten.

In der Kabine nach dem Spiel.

Ich weiß nicht mehr genau, wann sie mich nach Hause gebracht hatten. Die Mädels waren längst eingeschlafen. Am nächsten Morgen berichtete mir Soana, dass sie von einem wilden Gehupe mitten in der Nacht wach geworden sei. Ich wurde in den folgenden Tagen nicht müde, mir auf Facebook und YouTube etliche Feiervideos anzuschauen. Meine Timeline war bald verstopft davon. Selten war ich so froh über ein Fußballspiel gewesen, denn ich liebe dieses Land und kann die Dimension des Sieges ermessen. Dieser Tag, der so ungemütlich begonnen hatte, hatte sich zu einer der großartigsten Erfahrungen gemausert, die ich je in Georgien machen durfte.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Der Flughafen von Kutaissi liegt eine halbe Stunde westlich der Stadt, was die Fahrt zum Schwarzen Meer, um diese halbe Stunde verkürzt. Natürlich ist es besser, nach und von Tbilissi zu fliegen, doch bei geschickter Planung kann auch Kutaissi als Ausgangspunkt einer Georgien-Reise dienen. Vom nahegelegenen Flughafen-Bahnhof fahren Züge sowohl nach Tbilissi als auch nach Batumi ans Schwarze Meer. Ersteres ist mit der schnellsten Verbindung in knapp drei Stunden erreicht, Letzteres in weniger als zwei.

Wer lieber mit dem Mietwagen unterwegs ist, dem sei die Agentur Cars4Rent empfohlen, die auch in Kutaissi über einen beachtlichen Fuhrpark verfügt. Mit dem Auto gelangt man in nur einer Stunde ans Schwarze Meer und in zwei Stunden in die Schwarzmeermetropole Batumi, sodass man auch dort die erste Nacht verbringen kann.

Die Badesaison in Ureki beginnt erst mit den Sommerferien im Juli. Davor ist es ruhiger, was aber auch seine Reize haben kann. Direkt am Nationalparkzentrum des Kolkheti Nationalpark ist eine Art Jungendherberge eingerichtet, die uns mit dem hübschen Garten am See gut gefallen hatte. Zum Meer ist es von dort auch nicht weit, wiewohl die Küste an diesem Abschnitt nicht sehr ansprechend wirkt.

Im Martwili-Canyon.

Okatse ist mit dem Auto nur knapp eine Stunde von Kutaissi entfernt, lässt sich perfekt mit weiteren Sehenswürdigkeiten der Region kombinieren. Etwa dem Martwili-Canyon (30 min ab Okatse) oder der Prometheus-Höhle und dem von dort sehr nahen alten sowjetischen Kurbad Tskaltubo (40 min). Der Okatse Canyon selbst öffnet erst im Mai seine Pforten und schließt Anfang November. Der zwei Kilometer lange Weg vom Besucherzentrum zum eigentlichen Canyon ist kürzlich asphaltiert worden.

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Falk Schäfer
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