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Ostwärts Reisen

Shikoku und Kyushu

Japan hatte ich im buchstäblichen Sinne studiert. Und ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, zunächst als Student und danach als Dozent und Korrespondent einige Jahre in diesem Panoptikum zu verbringen. Mit der Erkenntnis, dass die japanische Kultur und meine Wenigkeit dringend Abstand voneinander benötigen.

Nun hatten mich geschäftliche Gründe zurückgetrieben, will ich Reisen nach Japan anbieten und erscheint demnächst ein Japan-Buch unter meinem Namen. Also Leute treffen, Infos sammeln, Fotos schießen. Von frühmorgens bis spätabends immer in Dauerlauf.

Ich hatte mir in Osaka ein Auto gemietet und war an der Pazifikküste Honshus bis nach Sendai und an der Seite des Japanischen Meeres zurück in die Kansai-Region gefahren. Immer mal wieder die Berge zwischendrin. Der obere Teil der von mir konzipierten Acht war erledigt. Nun ging es nach Shikoku und Kyushu.

Akashi-Kaikyo-Brücke zwischen Kobe und der Insel Awaji.

Die erste von vielen mächtigen Brücken

Heute begann ich den kleineren, unteren Teil der Acht in Angriff zu nehmen, die ich für meine Japan-Reise konzipiert hatte. Zielort war Matsuyama im Westen Shikokus, der kleinsten der vier japanischen Hauptinseln. Der Weg dorthin war maximal spektakulär, denn gleich dreimal ging es auf unterschiedlichen Wegen von einer Insel auf die andere.

Der Tag würde lang werden, weshalb ich um sechs Uhr aufbrach. Eine halbe Stunde später überquerte ich im Morgengrauen die mächtige Akashi-Kaikyo-Brücke. Bis zu Erdogans Prestigeprojekt, der 2023 eingeweihten Dardanellen-Querung, war dies mit einer Spannweite von knapp vier Kilometern die längste Hängebrücke der Welt. Ich hatte mir überlegt, von wo sich die Szenerie am besten fotografieren ließe, und die Antwort lag denkbar nahe. Japan ist eine Servicekultur und so glich der Autobahnrastplatz einem riesigen Freizeitpark. Mit Aussichtsterrasse, Restaurants und sogar einem Riesenrad. Die Sichten waren herausragend. Auf die Brücke selbst und in der anderen Richtung auf die Megastadt Osaka, wo die Abeno-Haruka-Towers deutlich zu erkennen waren.

Awaji ist die größte Insel der Inlandsee, liegt genau zwischen der Region Kansai auf Honshu und dem Nordosten Shikokus, bildet somit einen natürlichen Brückenpfeiler für den Übergang zwischen den Hauptinseln. Auf Awaji selbst lohnt sich im Norden der Awaji Yumebutai, eine schöne Mischung aus Architektur-Park und Botanischem Garten. Die Verbindung zwischen Awaji und Shikoku bildet die Onaruto-Brücke, die zwar etwas kleiner ist als ihr Pendant im Norden, aber noch immer eindrucksvoll. Direkt unterhalb bilden sich regelmäßig morgens und nachmittags gewaltige Strudel, wenn mit Ebbe und Flut die Wassermassen aus der Inlandsee in den offenen Pazifik bzw. wieder zurückströmen. Die Szenerie ist weniger gefährlich als man denken mag, sodass die Fahrgastschiffe direkt heranfahren können. Mit diesem Phänomen bewirbt sich die Stadt Naruto aktuell bei der UNESCO um Aufnahme ins Weltnaturerbe.

Naruto-Brücke zwischen Awaji und Shikoku.

Ich nahm auf der Shikoku-Seite die erste Ausfahrt, um wieder zurück zum Naruto-Park direkt oberhalb der Brücke zu fahren. Die Parkplatzwächter waren noch nicht da und die Rolltreppe zum Aussichtsdeck nicht in Betrieb. Man konnte aber zu Fuß hochlaufen. Über einen nicht sehr langen Rundweg mit schönen Blicken. Im rückwärtigen Teil des Parks lag das Otsuka-Kunstmuseum. Das größte seiner Art in Japan stellt ausschließlich Repliken großer Meister aus.

Der erste von 88 Tempeln

Nächster Halt war der Ryozenji-Tempel, der erste Stopp auf der 88-Tempel-Tour durch Shikoku, dem berühmtesten Pilgerweg Japans. Mönch Kukai gewidmet, der im achten Jahrhundert mit der Shingon-Schule die bis heute wichtigste buddhistische Lehre von China nach Japan gebracht hatte. Kukai kam aus der Sanuki-Region im Nordosten Shikokus, hatte seinen Tempel aber auf dem Berg Koya südöstlich von Osaka gegründet. Am Lebensabend berichtete er seinen Novizen über die Kindheit auf Shikoku, weshalb diese ihm zu Ehren die Pilgerroute ins Leben gerufen hatten, so zumindest die Legende. Der Ryozenji in der Stadt Naruto ist der Startpunkt der Tour, weil er dem heiligen Koya-Berg des Shingon-Buddhismus von allen 88 Tempeln am nächsten liegt. Für die Gesamtstrecke mit ihren 1.200 Kilometern benötigt man zu Fuß knapp zwei Monate. Doch weil der Buddhismus eine tolerante Religion ist, darf man zwischendrin ruhig mal den Bus nehmen, muss sich nicht sklavisch an die vorgegebene Reihenfolge halten, kann die Route auch umgekehrt absolvieren, was unter Umständen sogar Glück bringen soll.

Der erste der 88 Tempel auf der Pilgerroute durch Shikoku.

Takamatsu ist die Hauptstadt der Präfektur Kagawa bzw. der historischen Region Sanuki, in der Kukai geboren und aufgewachsen sein soll. Für die Innenstadt hatte ich keine Zeit, dafür jedoch für die Yashima-Insel etwas nordöstlich. Hier hatte im Jahre 1185 die entscheidende Schlacht im Genpei-Krieg zwischen den Clans der Taira und der Minamoto getobt, wobei Letztere sich durchsetzen und in der Folge für mehrere Jahrhunderte das Kamakura-Shogunat begründen konnten. Auf dem höchsten Punkt der Insel boten sich fantastische Sichten über die Inlandsee und das nahe Takamatsu. Rechts vom Parkplatz schließt der hübsche Yashima-Tempel an, die Nummer 84 auf der 88-Tempel durch Shikoku. Links liegt das New Yashima-Aquarium, das eines der traditionsreichsten seiner Art in Japan ist. In der Mitte erinnert ein Mahnmal an besagte Schlacht. Nicht weit dahinter sollen im Chi no ike, im Blutteich, die siegreichen Kämpfer der Minamoto ihre Schwerter vom Blut der Feinde gesäubert haben.

Das Tor zum Yashima-Tempel nahe Takamatsu.

Zurück nach Honshu…

Westlich von Takamatsu führt eine parallele Straßen- und Schienenverbindung über etliche kleinere Eilande in der Inlandsee zurück nach Honshu. Wie schon an der Akashi-Kaikyo war auch hier unterhalb der mächtigsten Brücke ein Autobahnparkplatz mit angeschlossener Aussichtsterrasse eingerichtet. Zurück auf Honshu, ging es stringent in Richtung Westen nach Onomichi in eine traditionsreiche Handelsstadt, die gerühmt wird für ihre nostalgische Atmosphäre entlang der alten Kanäle und für den spektakulären Rundweg, der auf zweieinhalb Kilometern Länge an sage und schreibe 25 Tempeln vorbeiführt. Ich hatte leider nur Zeit für den Zenkoji, den bekanntesten und höchstgelegenen unter ihnen. Von der Aussichtsplattform bot sich eine fantastische Sicht auf die Stadt und den alten Handelshafen sowie auf die Inlandsee mit all den versprenkelten Inselchen.

Blick auf Onomichi.

…und wieder nach Shikoku

Der Shimammi Kaido ist mit gewisser Sicherheit die schönste Verbindung von Hauptinsel zu Hauptinsel. Eine Kette pittoresker Inselchen, die wie Steine in der Furt zwischen Honshu und Shikoku liegen. Brücken führen von einer zur nächsten und geben immer wieder herrliche Blicke über die mediterran anmutende Inlandsee frei. Vor einigen Jahren wurde ein Radweg eingerichtet. Nahezu vollständig vom übrigen Verkehr abgekoppelt, was in Japan äußerst ungewöhnlich ist. Für die knapp 70 Kilometer lange Strecke von Onomichi auf Honshu nach Imabara auf Shikoku können Leihräder gemietet werden.

Auf den verschiedenen Inselchen harren etliche versteckte Kleinode ihrer Entdeckung, nicht zuletzt einige hervorragende Strände. Absolutes Muss ist der Kosanji-Tempel auf Ikuchi-jima. Ein vermögender Unternehmer hatte in den 1930er Jahren nach dem Tod der geliebten Mutter seine Geschäfte aufgegeben, trat in den Mönchsstand ein und widmete sich fürderhin dieser Anlage im Westen der kleinen Ikuchi-Insel. In 30 Jahren Bauzeit ist ein fantastischer Tempel entstanden, der religiös zwar keinerlei Bewandtnis hat, aber verschiedene Vorbilder der klassischen japanischen Architektur zitiert und wahnsinnig verspielt daherkommt. In einer langgesteckten Höhle werden in einer eindrücklichen Bilderserie die Martern der buddhistischen Hölle illustriert. Buchstäblicher Höhepunkt auf dem Tempelhügel ist ein vollständig aus italienischem Marmor geschaffenes Areal mit der abstrakt gehaltenen Statue des Lichts. Auch die prächtig gestaltete Residenz, in der die geliebte Mutter ihre letzten Lebensjahre verbracht hatte, lohnt einen Blick.

Vollständig aus italienischem Marmor.

Dogo Onsen und Matsuyama

Zum zweiten Mal auf Shikoku angekommen, war es nicht mehr weit nach Matsuyama in die größte Stadt im Westen der Insel. Mein Hotel lag etwas außerhalb der Innenstadt in Dogo Onsen, einem der populärsten und traditionsreichsten Kurbäder Japans, in das auch die kaiserliche Familie gerne und häufig einkehrt.

Der kleine Tram-Bahnhof aus dem Jahre 1895 ist ein schönes Beispiel für die Architektur der Meiji-Zeit. Davor steht eine alte Dampflokomotive und in unmittelbarer Nähe spielt die Botchan Karakuri-Uhr zu jeder vollen Stunde eine Melodie, zu der sich mechanische Figuren bewegen.

Am Tram-Bahnhof von Dogo Onsen.

Ich nahm die bemerkenswert langsame Tram, um mir den zweiten Höhepunkt der Stadt zu erschließen. Die Burg ist eine von wenigen in Japan, die noch original erhalten sind. Eine Seilbahn führt hoch. Empfohlen sei das Oneway-Ticket, denn oben und auf dem Weg wieder hinunter bieten sich fantastische Sichten auf die Stadt und die nahe Inlandsee. Unten ist der Ninomaru-Palast restauriert worden, fungiert der umgebende Park als innerstädtische Erholungsoase.

Nach einer Nudelsuppe an der Ecke zurück mit der Tram nach Dogo Onsen. Nicht weit entfernt von meinem Hotel war ich verabredet mit dem Inhaber eines Ryokans. Er hatte zwei seiner Mitarbeiter mitgebracht, die offenkundig den Auftrag hatten, sich in ihrem Englisch zu üben. Es wurde ein netter Abend, der angenehm wenig von Klischees und Hierarchien geprägt war.

Meine Stimmung wechselte ständig zwischen den Extremen, zwischen Begeisterung und totaler Genervtheit. Heute war Ersteres dran. Die An- und Aussichten waren phänomenal.

Blick hinunter von der Burg auf Matsuyama.

Uchiko und Ozu

Ich hatte vom Hafen Yawatahama eine Autofähre ins Kurbad Beppu gebucht. Von Shikoku nach Kyushu. Abfahrt 12 Uhr. Vorher wollte ich mir die beiden Residenzstädte Uchiko und Ozu anschauen und glaubte, dafür vergleichsweise viel Zeit auf dieser maßlos intensiven Reise zu haben. Schon kurz vor acht Uhr war ich in Uchiko angekommen. 45 Minuten ab Matsuyama. Ein nebliger Herbstmorgen. Als ich den Kasten abgestellt hatte und meinen üblichen Dauerlauf durch die Sehenswürdigkeiten beginnen wollte, bemerkte ich, dass ich meine drei Jeans, die im Hotelschrank zum Trocknen aufgehangen waren, vergessen hatte. Insofern Glück, als dass dies nur heute hat passieren dürfen, die anderthalb Stunden Mehraufwand nur an diesem Tag drin waren. Also zunächst durch Uchiko, wo vor allem das Kabuki-Theater und die alten Kaufmannsresidenzen in der vollständig restaurierten Yokaichi-Straße hervorzuheben sind. Das Theater mit der aus dem frühen 20. Jahrhundert stammenden und erstaunlich ausgereiften Bühnentechnik lohnt auch einen Blick von innen.

Die Uchiko-za ist eines der wenigen verbliebenen Kabuki-Theater in Japan.

Anschließend in den Kasten und mit Vollgas zurück nach Matsuyama. Weil japanische Hotels außerordentlich gut organisiert sind, wurden mir die Hosen gleich an der Lobby entgegengetragen. Schön gefaltet und verpackt in eine wiederverschließbare Plastikhülle. Nach einer weiteren Stunde war Ozu erreicht, das ich deutlich reizvoller fand als Uchiko zuvor. Das kann aber auch an den äußeren Umständen gelegen haben. Schließlich waren die Nebel verflogen und hatte ich meinen Hosen-Schock überwunden.

Die original erhaltene Burg liegt im Westen der Stadt und erhebt sich über den Hijikawa-Fluss. Von hier zieht sich die Stadtmauer am Ufer entlang zur Garyu Sanso-Villa. Im Jahre 1907 nach dem Vorbild der kaiserlichen Residenzen von Kyoto errichtet, wofür an die 9.000 Arbeiter fast vier Jahre gebraucht hatten. Jeder Gegenstand ist ästhetisch ins letzte Detail komponiert. Hinter dem Hauptgebäude findet sich ein schöner japanischer Garten samt Teehaus und dahinter das kunstvolle Furo-an, welches den Stamm eines Weidenbaumes als Stützpfeiler nutzt. Die kurvige Deckenkonstruktion ist so beschaffen, dass der Fluss in klaren Nächten das Mondlicht zurückwirft. Unmittelbar unterhalb, aber außerhalb des Geländes, bieten sich von einer kleinen Insel im Fluss schöne Blicke auf die Szenerie. Trotz der Unbilden am frühen Morgen war noch etwas Zeit für einen Streifzug durch die kleine Innenstadt. Südlich der Mauer zwischen Fluss und Altstadt liefert die „Alte Backsteinhalle“ ein Beispiel, wie die Architektur der Meiji-Zeit von westlichen Stilen beeinflusst wurde. Früher eine Bank und heute ein beliebter Rastplatz für Touristen. Nicht weit entfernt ist mit der Omoide-Markthalle ein kleines Museum zum Alltag der Showa-Zeit eingerichtet. Ein fantastischer Einblick in das Japan der 1950er Jahre. Selten so eine liebevoll kuratierte Ausstellung gesehen.

Nostalgie-Museum zur Nachkriegszeit.

Mit der Fähre nach Beppu

Zum Hafen von Yawatahama war es nur noch eine halbe Stunde Fahrt. Ich hatte die Passage einige Tage zuvor reserviert. Bezahlt wird unter Vorlage der Reservierungsbetätigung direkt am Hafen. Kosten um die 80 Euro. Im Nachhinein hätte ich die Fähre von der Misaki-Halbinsel nach Saganoseki nehmen sollen, weil diese Passage deutlich kürzer und auch günstiger ist und die Fahrt entlang der langgestreckten Misaki-Landzunge reizvoll gewesen wäre. Sicher wird auch hier bald eine Brücke gebaut werden, denn es sind in der direkten Luftlinie nur zehn Kilometer dort, wo sich Shikoku und Kyushu am nächsten kommen.

Shikoku links, Kyushu rechts und das Heck meiner Fähre zwischendrin.

Aber auch so war es gut, konnte ich nun drei Stunden statt nur einer die Fährfahrt über die Inlandsee genießen. Bei herrlichem Wetter, stahlblauem Himmel und fantastischen Sichten – auf die langgestreckte Misaki-Halbinsel und auf die vielen kleinen vorgelagerten Eilande. In der Ferne war schon bald Kyushu zu erkennen, doch außer einer deutschen Touristin schien das niemanden zu interessieren. Die Japaner hielten sich ausschließlich in den Innenräumen auf und dösten vor sich hin. Mehr Ruhe für uns zwei, wobei wir uns aus dem Wege gingen. Dass sie Deutsche war, lernte ich erst, als wir uns zufällig am Abend in einer Izakaya in Beppu wiedertrafen. Sie hatte einen ähnlich umfangreichen Reiseplan wie ich, aber viel mehr Zeit.

Die inoffizielle Onsen-Hauptstadt Japans

Das Gute an dieser Passage war, dass sie direkt auf Japans Kurmetropole Beppu zulief, wo wir kurz vor vier Uhr am Nachmittag anlegten. Schon von Ferne sah man, wie es überall in der Stadt aus den Thermalquellen dampfte. Ich hoffte, mir im Schnelldurchlauf die Höhepunkte der Stadt erschließen und zumindest eines der Höllentäler vor dessen Schließung besuchen zu können. Nach drei Stunden Nichtstun also wieder in den Stakkato-Modus und zur Umi Jigoku, die ich noch rechtzeitig erreichte und die als spektakulärste der insgesamt sieben „Höllen“ von Beppu gilt. Ausgesprochen touristisch, was dem Eindruck von der Wildheit und Kraft der Natur einen gewissen Abbruch tut. Ein dampfender Teich aquamarinblauen Wassers und ein weiterer, in dem die Lotusblätter groß genug sind, um kleine Kinder zu tragen…

Eines der sieben Höllentäler von Beppu.

Mit der Seilbahn auf den Tsurumi

Zehn Minuten die Hauptstraße hituner in Richtung Hafen ist das Steam Cooking Center eingerichtet, wo Besucher mitgebrachte Speisen im Dampf garen, aber auch bereits zubereitete Gerichte bestellen können. Eine angenehme Mischung aus Gemeinschaftsküche und Imbisslokal.

Ich aber nahm den Weg hinauf in die rasch ansteigenden Berge, weil ich die Gondel auf den Tsurumi-san, den Hausvulkan von Beppu erreichen wollte. Ich raste die Serpentinen hoch und mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz und hatte tatsächlich noch zehn Minuten Zeit bis zur letzten Fahrt. Die Kabine war leer, weil niemand sonst auf die Idee gekommen war, oben zehn Minuten lang wie wild herumzurennen, Fotos in alle Richtungen zu schießen und gleich wieder hinunterzufahren.

Der Tsurumi ragt auf 1.400 Meter auf, was so nah am Meer eine beträchtliche Höhe ist. Meine Seilbahn war die längste Japans und ein technisches Wunderwerk für sich. Bis hoch auf den Gipfel wäre es ein kurzer Spaziergang von nur zehn Minuten gewesen, die ich aber nicht hatte. Doch auch von der Bergstation waren die Blicke phänomenal. Von oben ließ sich erkennen wie sich Beppu in einen schmalen Streifen zwischen Berge und Meer schmiegt und dass es nicht nur ein kleines Kurbad, sondern eine veritable Großstadt ist. In der Ferne war die Spitze der Misaki-Halbinsel, also Shikoku, zu sehen. Unter mir breite sich die Herbstverfärbung aus, vergnügten sich Rehkitze in den Wäldern. In der anderen Richtung dehnten sich die Kuju-Berge nach Süden aus. Morgen würde ich das höchste Gebirge Kyushus mit seinen knapp 2.000 Höhenmetern von Nordost nach Südwest durchqueren.

Blick auf Beppu vom Tsurumi-Vulkan.

Die Gondel runterwärts war proppenvoll, weil sie all die verbliebenen Gäste aufnehmen musste. Mit dem Kasten ging es zurück in die Stadt. Ich machte kurz bei der Tanayu Stopp, denn rund um die bekannteste und am stärksten frequentierte der acht Thermalquellen Beppus breiteten sich die renommierten Badehäuser aus. Eine rote Bogenbrücke überspannte den dampfenden Fluss, doch ansonsten ist die Gegend keine Wohltat fürs Auge, dominieren die typischen würfelförmigen Hotelkästen. Die meisten Besucher halten sich ohnehin dauerhaft innen auf und treten nur selten hinaus für einen Spaziergang.

Mein Hotel lag in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs. Auch hier hätte ich mich den Badefreuden hingeben können, doch dafür war keine Zeit. Stattdessen wollte ich mir – nun zu Fuß – die Innenstadt erschließen. Zunächst die obligatorische Ramen-Nudelsuppe und dann durch das Ausgehviertel in Richtung Strand. An der sechsspurigen Hauptstraße parallel zum Ufer kam der hundert Meter hohe Beppu Tower in Sicht. Nachts schön angeleuchtet und ein Paradebeispiel für die Architektur der 1950er Jahre. Dann die Strandpromenade in Richtung Süden über den Yachthafen zum Takegawara Onsen, das schon seit 1879 existiert und zu den ältesten Bädern Japans zählt. Hier können die Behandlungen mit warmem Strandsand gebucht werden, für die Beppu so berühmt ist. Schließlich zurück durch ein kleines, an diesem Abend kaum belebtes Rotlichtviertel zum Bahnhof und meinem Hotel.

Wanderwege führen auf den Yufu-Vulkan.

Das Kurbad Yufuin und ein dampfender See

Auf Kyushu kannte ich den Norden und den Süden, Fukuoka und Kagoshima. Nun wollte ich mir möglichst viel vom großen Rest erschließen. Gleich am Morgen von Beppu ins nahe Yufuin. Eine halbe Stunde Fahrt, die zunächst am Tsurumi-san und anschließend am benachbarten Yufu-Vulkan vorbeiführte. Kurz vor Yufuin führt ein Wanderweg mitten durch alpine Flora auf den knapp 1.600 Meter hohen Gipfel.

Yufuin Onsen ist ein beschauliches Kurbad. Weit gemütlicher als das trubelige Beppu. Besonders ans Herz gelegt sei der Weg am Fluss entlang vom Bahnhof zum 20 Gehminuten entfernten Kinrin-See. Es brodelt und dampft allüberall. Mit dem Shitanyu ist ein einfaches öffentliches Badehaus am Ufer eingerichtet.

Der dampfende Kinrin-See.

Durch die Kuju-Berge nach Kurokawa Onsen

Von Yufuin mit dem Kasten durch die Kuju-Berge nach Kurokawa Onsen. Auf der Mitte des Weges führten vom 1.333 Meter hohen Makinoto Pass Hiking-Pfade auf die Gipfel der Umgebung. Die Sicht war wieder fantastisch. Richtung Norden bis zur Inlandsee und gen Süden zum majestätischen Aso-Vulkan mit seiner riesigen Caldera.

Kurokawa Onsen war noch 20 Minuten entfernt. Das äußerst populäre Kurbad wird in Japan und darüber hinaus für seine beschauliche Atmosphäre, die Lage direkt am Fluss und insbesondere für die vielgestaltigen Freiluftbecken (rotemburo) geschätzt. Hinten im Ort ist mit dem Okunoin ein kleiner Tempel eingebettet in die wildromantische Landschaft an einer Flussmündung mit Wasserfällen, Felsen und kleinen Höhlen. Ein wunderbar einsamer und versteckt gelegener Ort.

Anschließend stellte ich den Kasten vor der Touri-Info ab und machte eine Runde durch das Zentrum. Tief unten im Tal reihten sich am Fluss die Ryokans mit ihrer traditionellen Architektur aneinander. Ein kompaktes und stimmiges Ensemble, wie es auch in Japan nicht sehr häufig ist. Die Dame von der Touristeninformation hatte mich wissen lassen, dass die schönsten Freiluftbäder etwas außerhalb liegen. Bei Touristen beliebt ist die rotemburo meguri, die Tour zu Fuß durch alle Becken, für die der hölzerne Zugangspass empfohlen wird, weil er stylisch daherkommt und einige Rabatte gewährt. Das Yamamizuki zwei Kilometer östlich des Ortskerns gilt als erstes Haus am Platze, doch mir gefiel das Sanga-Bad etwas westlich von Kurokawa Onsen deutlich besser, weil einsamer, geschmackvoller eingerichtet und authentischer. Außerdem mag ich nicht, wenn gleich am Giebel prangt, dass Menschen mit Tattoos nicht willkommen sind. Im Yamamizuki sogar in lateinischen Lettern, was ich besonders anstößig fand. Jeder in Japan weiß, dass die volltätowierten Herren der Yakuza, der japanischen Mafia, gemeint sind. Dann soll man das aber auch sagen oder das Schild gleich ganz weglassen. Schon meine achtjährige Tochter hat gelernt, dass Ausschließen nicht nett ist.

In den Höhenlagen der Kuju-Berge.

Einige Dutzend Kilometer musste sich mich über Landstraßen quälen. Die ausgesprochen zögerliche, ja ängstliche Fahrweise in Japan ging mir zunehmend auf die Nerven. Ständig dieses Gebremse und Geschleiche. Ich war froh als ich auf der Autobahn war. Mehr als 120 km/h sind zwar auch hier nicht drin, doch immerhin gibt es mehrere Spuren, lassen sich die Trödler, Träumer und Hasenfüße risikolos überholen. Es ging in den Westen Kyushus an die ausgesprochen stark gegliederte Küste des Ostchinesischen Meeres mit ihren Halbinseln, Fjorden, fast vollständig von Land umschlossenen Meeresbuchten, Landzungen und etlichen vorgelagerten Inseln.

Sanga Ryokan in Kurokawa Onsen.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Wer kein Auto hat, kann mit dem Highway-Bus die Akashi-Kaikyo überqueren. In Richtung Shikoku wird auch an der Naruto-Brücke mit dem gleichnamigen Park gehalten, kommt man anschließend mit lokalen Bussen weiter.

Die Relation zwischen dem Shinkansen-Bahnhof Okayama und Takamatsu ist die einzige Verbindung zwischen Honshu und Shikoku, auf der Züge verkehren. Immer mal wieder ist über einen Shikoku-Shinkansen diskutiert worden, aber diese Pläne werden aktuell nicht mehr verfolgt.

Für den Shimamami Kaido können Räder geliehen werden. Der eine Verleih bietet nur 08/15 Räder, ist dafür entlang des Weges häufiger vertreten, der andere hat bessere Modelle vorrätig, seine Stationen aber nur an den Endpunkten in Onomichi bzw. Imabara.

Uchiko und Ozu lassen sich jeweils mit der privaten Yosan-Eisenbahnlinie erreichen. Die Fahrt dauert 30 bzw. 50 Minuten ab Matsuyama.

Für die Fähren in Japan benötigt man eine Vorreservierung. Bezahlt wird am Hafen.

Von Beppu nach Yufuin fährt man besser mit dem Bus als mit der Bahn. Die Strecke ist kürzer und führt sowohl am Tsurumi- als auch am Yufu-Vulkan vorbei.

Kurokawa Onsen lässt sich nur mit Bussen erreichen. Verbindungen bestehen von Fukuoka, Hita und auch von Beppu und Kumamoto.

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