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Ostwärts Reisen

Ulan-Ude - die Metropole Burjatiens

Nach dem Auftakt in Moskau ging es nun endlich weiter nach Sibirien. Die Fahrt mit Metro und Schnellzug zum Flughafen war ähnlich beschwerlich wie auf dem Hinweg. Wieder wuchteten wir unsere Koffer über die vielen kleinen Treppen an den Metroübergängen und dann rauf zum Pawelezker Bahnhof, von wo der Zubringerzug nach Domodedowo fahren sollte. Hier hatten die Strapazen ein Ende. Das Gepäck war aufgegeben und am Flughafen in Ulan-Ude würde ein Mietwagen auf uns warten.

Car rental buryatian style

Wir flogen durch die Nacht und landeten am frühen Morgen auf dem beschaulichen Flughafen Baikal zehn Kilometer westlich der burjatischen Hauptstadt. Ich hatte von Berlin aus eine der wenigen Mietwagenfirmen der Stadt aufgetan. Die Kommunikation lässt sich als klar und prägnant beschreiben. „Ok.“ „Alles gut.“ „Kostet soundsoviel.“ „Ich stehe dann am Flughafen.“ Bestätigungen oder Vorab-Rechnungen gab es nicht. Wir waren sehr gespannt, ob und wie das funktionieren würde. Die äußerst kleine Ankunftshalle leerte sich schnell. Alle wussten, wo sie hinmussten oder wurden abgeholt. Übrig blieb ein abgewetzter weißer Renault Logan und eine junge Dame mit sehr kurzen Haaren, die man so auch bei einem Berliner Ska- oder Punkkonzert hätte treffen können – Sweta.

Alles ging sehr schnell. Wir sollten Fotos machen, der Tank sei voll, Kindersitz drin. Die Kaution wolle sie in bar haben, was wir mit unseren in Moskau erworbenen Rubel gerade so noch leisten konnten. Über Diebe sollten wir uns keine Gedanken machen, weil solcherart Modelle niemanden interessieren würden. Gut zu wissen und nach einem Blick auf unser Gefährt auch eine durchaus nachvollziehbare Argumentation. Wir unterschrieben drei Zettel und dann lief sie auch schon in Richtung einer Marschrutka, die gerade am anderen Ende des Parkplatzes hielt. Es dauerte weniger als fünf Minuten und wir standen mit unserem in die Jahre gekommenen Renault Logan auf einem menschenleeren Parkplatz inmitten Sibiriens.

An den Weg zum Kloster von Iwolginsk würde ich mich noch erinnern können, unser Hotel in Ulan-Ude müsste ich jedoch ganz alleine finden, denn Internet gab es hier nicht.

Im Kloster von Iwolginsk.

Der Mönch Itigilov ist der absolute Höhepunkt jedes Rundgangs. Seine Geschichte hatte ich schon hier erzählt. Deshalb ganz kurz: In den 1920er Jahren freiwillig während der Meditation entschlafen, begraben, nach Stalins Tod das erste und danach zwei weitere Male exhumiert, keinerlei Verwesungserscheinungen, vollständige Mumifizierung, 2002 ins Kloster Iwolginsk verbracht, wo mit dem Körper seither wie mit einem lebenden Mönch interagiert wird.

Wir kauften – quasi als Eintrittskarte für den Haupttempel – zwei heilige Tücher, doch kurz bevor wir die heiligen Hallen betraten, bekam Soana Nasenbluten. Ich war erstaunt, wie wenig das den Mönchen auszumachen schien, denn aus Japan kannte ich eine ausgeprägte buddhistische Aversion gegenüber jedwedem „Blutvergießen“.

So oder so war das Problem bald behoben und nun sahen wir ihn. Itigilov sitzt hinter einer Vitrine noch immer im Lotussitz, der Meditationsstellung, in der er vor knapp hundert Jahren entschlafen sein soll. Wir waren ein wenig skeptisch ob seiner Geschichte, erkannten aber auch, wie ernst sie von den anderen Besuchern im Raum genommen wurde.

Ulan-Ude – eine kleine unspektakuläre Stadt mit viel Herz

Die Burjaten sind Mongolen. Daran kann auch die russische Staatspropaganda nichts ändern, die das Volk zwischen Baikal und Sajan kurzerhand zu einer eigenständigen Ethnie erklären will. Im vergangenen Jahr hatte ich in Ulan-Ude eine Burjatin getroffen, die an der renommierten Diplomatenschule MGIMO in Moskau studierte. Sie war sehr aufgeweckt, sprach hervorragend Englisch und thematisierte in betont lockerer Manier die verschiedenen Friktionen zwischen Russland und der EU. Meine Frage nach den Ähnlichkeiten der burjatischen und der mongolischen Kultur erwies sich dann aber doch als NoGo.

Dabei liegt es auf der Hand. Die gleiche Sprache, die gleichen Feste, die gleiche Religion, die gleiche Kleidung und die gleiche Küche. Früher hießen die Burjaten auch noch Burjat-Mongolen, doch heute wird der zweite Teil weggelassen. Offenbar war und ist der Kreml von den Tschetschenien-Kriegen derart traumatisiert, dass man jedwede Sezessionsbestrebungen bereits im Keim ersticken will. Was in Burjatien übertrieben scheint, weil dort niemand auch nur im Ansatz über eine Abkehr von Russland und einen Anschluss an die Mongolei nachdenkt.

Liebe auf den ersten Blick. Die Straßenbahn von Ulan-Ude.

Doch zurück zur These. Ich mochte die Mongolen sehr, doch deren Fahrweise hielt ich für äußerst speziell. Entsprechend groß war meine Angst vor der Einfahrt nach Ulan-Ude und umso erleichterter war ich, als ich bemerkte, dass sich die Burjaten immerhin im Hinblick auf die Verkehrserziehung von den übrigen Mongolen unterschieden. Während auf den Straßen Ulaanbaatars das pure Chaos regiert, hielt man sich hier penibel an alle Regeln. Nach nur wenigen Metern schwammen wir ganz normal mit im Strom und fanden fast auf Anhieb unser Hotel im Zentrum der immerhin fast 500.000 Einwohner fassenden burjatischen Hauptstadt. Bissel Intuition, bissel Erinnerung und einmal fragen hatten ausgereicht.

Obgleich erst um elf Uhr vormittags, durften wir schon auf unser Zimmer. Die Möblierung war nicht sonderlich erlesen, doch es wirkte insgesamt recht sauber und angenehm. Allerdings war das Wasser kalt und ich meiner Tochter überaus dankbar, dass sie die nach zwei langen Tagen dringend notwendige Dusche so klaglos über sich ergehen ließ.

Während die Mädels ihren Nachtschlaf nachholten, machte ich ein paar Besorgungen. Zur Bank, Geld tauschen und dann weiter zum Rynok, dem klassischen russischen Markt.

An Sehenswürdigkeiten hat Ulan-Ude zwar nicht allzu viel zu bieten, doch immerhin herrscht eine heimelige Atmosphäre. Spannend ist, wie burjatische und russische Kultur ineinanderfließen und offenbar recht friedlich miteinander koexistieren. Es lässt sich schwer erklären, doch irgendwie ging mir die Stadt ans Herz, wirkte auf mich wie eine deutlich entspanntere und gemütlichere Ausgabe von Ulaanbaatar. Jeder und jede Reisende mit etwas Zeit im Gepäck sollte ihr zumindest einen kurzen Rundgang gewähren.

Von der Hodegetria-Kirche im Süden der Innenstadt führt die Lenin-Straße bis zum burjatischen Regierungspalast mit seinem überdimensionalen Lenin-Kopf. Direkt hinter der Kirche schließt ein kleines Viertel aus traditioneller sibirischer Holzbauarchitektur an. Danach – etwa auf Höhe des zentralen Kaufhauses – wandelt sich die Leninstraße in eine Fußgängerzone. Biegt man hier nach rechts ab, erreicht man ein weiteres Einkaufszentrum und dahinter den zentralen Markt. Schließlich – jenseits der großen Balakhinova-Straße – das Siegesdenkmal von Ulan-Ude, von wo sich ein schöner Blick über die Innenstadt bietet.

In der Fußgängerzone von Ulan-Ude.

Doch zurück zur Leninstraße. In der Fußgängerzone finden sich ein paar Andenkenläden und Imbissstände, zudem verschiedene Geschäfte. Nachdem man linkerhand das mongolische Generalkonsulat passiert hat, erreicht man den zentralen Yerbanow-Platz, der vom Fernsehsender GTRK und der Burjatischen Staatsoper gesäumt wird und in der Mitte einen prächtigen Brunnen beherbergt – mit Wasserspielen zu klassischer Musik.

Richtung Nordosten öffnet sich der Platz zum monumentalen Lenin-Kopf, der größten Porträtbüste der Welt. Dahinter erhebt sich der nicht sonderlich ansehnliche burjatische Regierungspalast. Das Parlamentsgebäude eine Ecke weiter ist dagegen durchaus ein Foto wert.

Weil noch etwas Zeit war und ich zur Nostalgie neige, spazierte ich noch zum Bahnhof, wo vor einem Jahr mein erstes Sibirien-Abenteuer begann. Zurück gings mit einer wunderbar klapprigen Straßenbahn sowjetischer Bauart, die allein schon die Reise gelohnt hätte. Noch ein paar Einkäufe auf dem Markt und wir waren vorbereitet für unsere Fahrt zum Baikal.

Wir speisten gut und vor allem reichlich in einem nahegelegenen koreanischen Restaurant und freuten uns auf den kommenden Tag. Derweil füllte sich das Hotel mit immer mehr Mongolen, die offenbar die lange Tagesreise aus Ulaanbaatar auf sich genommen hatten und nach und nach eintröpfelten.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Ulan-Ude ist das Zentrum der mongolischen Kultur innerhalb Russlands. Die Stadt ist vielleicht nicht allzu spektakulär, aber irgendwie urgemütlich. Zudem hervorragend gelegen im Zentrum der burjatischen Steppe an der Mündung der Uda in die Selenge und unmittelbar vor dem Übergang zur bergigen Taigalandschaft am Baikal.

Über die Schiene ist Ulan-Ude nach Westen an Irkutsk und Moskau, gen Osten an Chita und Wladiwostok und nach Süden an Ulaanbaatar und Peking angebunden. Vom kleinen Flughafen Baikal kann man nach Moskau und zweimal wöchentlich nach Ulaanbaatar fliegen. Zumindest galt dies vor der Pandemie.

Kurzum: Die Stadt ist der perfekte Ort, um Reisen an den Baikal und in die Mongolei miteinander zu verknüpfen. Hinzu kommt, dass das burjatische Ostufer des Baikal touristisch deutlich weniger überlaufen ist, endlose Sandstrände bietet und von Gremyachinsk bis Ust-Barguzin über immerhin 120 Kilometer verkehrlich gut erschlossen ist.

Die Liste der Sehenswürdigkeiten in Ulan-Ude ist nicht sehr lang. Absolutes Muss ist das Kloster von Iwolginsk. Daneben lohnen der Rinpoche-Tempel mit seiner großartigen Aussicht und das Ethnografische Museum einen Besuch – beide im Norden der Stadt.

Das Khuturok-Hotel im zentral gelegenen Viertel mit der alten sibirischen Holzarchitektur bietet ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis. Guter Service, ansprechende Zimmer zum kleinen Preis.

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Falk Schäfer
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