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Ostwärts Reisen

Schlüsselburg, Zarskoye Selo und Veliky Nowgorod

Sankt Petersburg ist an sich schon ein atemberaubendes Ensemble. Eine beeindruckende Planstadt, mit der Peter der Große den Aufbruch Richtung Europa wagen und die Hegemonie im Ostseeraum sichern wollte. Noch besser gefiel uns der Ausflug rund um die Petersburger (Ostsee)Bucht mit all den Schlössern, Parks, Festungen und den architektonischen Highlights neueren Datums. An den verbleibenden Tagen in dieser wahrhaft europäischen Metropole wollten wir uns nun Richtung Osten und Süden orientieren.

Festung Schlüsselburg in Europas größtem See – dem Ladoga.

Schlüsselburg – nomen est omen. Banja. Und der Katharinenpalast in Zarskoye Selo

Wir nahmen die S-Bahn bzw. die Elektritschka vom Finnländischen Bahnhof nach Petrokrepost. Die Fahrt dauert etwas mehr als eine Stunde und führt an die Schlüsselburg gegenüberliegende Seite des Newa-Ausflusses aus dem Ladogasee. Nach fünf Minuten erreichten wir zu Fuß einen Schiffsanleger, von wo regelmäßige Fähren auf die Festungsinsel sowie zur eigentlichen Stadt Schlüsselburg verkehren. Die Festung wurde schon im 14. Jahrhundert angelegt und galt Peter dem Großen später als „Schlüssel“ für die Eroberung des Ostseeraums – daher der Name. Von hier bot sich ein herrlicher Blick über den Ladoga, den mit Abstand größten, alleinig in Europa gelegenen See. Über dessen Eis wurden in den Wintermonaten der Leningrader Belagerung mehrere Millionen Menschen mit dem Lebensnotwendigen versorgt. Schlüsselburg konnte von den Deutschen nie eingenommen werden und besaß schon wieder eine „Schlüssel“rolle auf dieser Straße des Lebens. Heute sind in der eigentlichen Stadt nur noch wenige historische Bauten erhalten, was aber nichts daran ändert, dass sowohl Festung als auch Schloss ins UNESCO-Welterbe aufgenommen wurden.

Wieder zurück in Sankt Petersburg wollten wir uns in einer der vielen Banjas, der russischen Saunen, vergnügen. Das Konzept des Badehauses als Ort der Hygiene für ein ganzes Viertel kannte ich schon aus Japan. Hier wie dort hatte es sich eigentlich überlebt, weil fast alle Haushalte mittlerweile an die allgemeine Wasserversorgung angeschlossen waren. Doch die Leute gingen noch immer gerne hin, um zu saunieren oder einfach einen Schwatz zu halten. Wir hatten das Problem, dass gemischte Badehäuser selten waren und wir deshalb eine gesamte Etage exklusiv für uns buchen mussten. Dieser Umstand kostete uns das speziell Russische an dieser gesellschaftlichen Institution. War aber trotzdem schön.

Riesige Warteschlange am Katharinenpalast. Alle wollen zum restaurierten Bernsteinzimmer.

Am nächsten Morgen nahmen wir die lila und die blaue Metro zum Bahnhof Kupchino im Süden der Stadt. Von hier fährt eine Elektritschka (S-Bahn) nach Zarskoye Selo. Nach etwa anderthalb Stunden waren wir da. Wie Peterhof für Peter den Großen zum Idyll werden sollte, schuf sich Katharina die Große in Zarskoye Selo ihr privates Reich. Eines der Zimmer in ihrem Palast war komplett mit Bernstein ausgekleidet. Ursprünglich ein Geschenk des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. an Peter den Großen, ist es mit Beginn der Regentschaft Katharinas in ihren neuen Palast südlich von Sankt Petersburg umquartiert worden. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Bernsteinzimmer von Soldaten der Wehrmacht gestohlen und später – bis heute unauffindbar – versteckt. Mittlerweile haben russische Kunsthistoriker eine originalgetreue Replik angefertigt, die der Höhepunkt einer jeden Schlossbesichtigung ist. Die Warteschlangen sind entsprechend lang, doch auch für weniger Geduldige lohnt sich der Ausflug allemal. Zarskoye Selo ist ein riesiges Ensemble voller prächtiger Parks, Gärten, Pavillons und Wasserspiele. Nicht vergessen werden sollte, dass im benachbarten Alexanderpalast der tragische Zar Nikolaus II. mit seiner Familie die letzten Jahre vor der Revolution und der Auslöschung der Romanows verbrachte.

Ein herrlich verspielter Park.

Veliky Nowgorod – die erste russische Hauptstadt

Unser letzter Ausflug führte in die erste russische Hauptstadt. Vom Moskauer Bahnhof fuhr morgens um halb acht ein Fernzug ins ehrwürdige Veliky Nowgorod am Ufer des Volkhov-Flusses – mit fast 1.200 Jahren eine der ältesten russischen Städte und dereinst das Zentrum der Kiewer Rus. Heute leben etwas mehr als 200.000 Einwohner in der – Umfragen zufolge – lebenswertesten Stadt des russischen Riesenreiches, die seit Anfang der 1990er Jahre zum UNESCO-Welterbe zählt.

Nach zweieinhalb Stunden waren wir da. Vom Bahnhof ist es ein wunderbarer Spaziergang durch die Altstadt zum historischen Kreml und über die Große Brücke auf die andere Flussseite mit ihren Parks, Kirchen und Palästen. Außerhalb der Stadt lohnt sich ein Ausflug ins Jurjev-Kloster und zum nahegelegenen Freilichtmuseum für die russische Holzbauarchitektur. Mit der Marschrutka ist der Weg dorthin nicht allzu lang.

Jurjev-Kloster in Veliky Nowgorod.

Dieses Mal musstes es nicht so hektisch sein, weil wir uns in der Nähe des Bahnhofs in der Deutschland-Straße (Ulitsa Germana) eine günstige Unterkunft für die Nacht gesucht hatten. Erst am nächsten Morgen ging es mit dem Zug zurück nach Sankt Petersburg, wo wir noch einmal durch unser Viertel streiften, im nahegelegenen Rynok Geschenke für die Lieben erstanden und am Abend letztmals in den gemütlichen Pub nebenan einkehrten.

Wir waren froh, dass wir uns eine ganze Woche Zeit genommen hatten, länger als für fast alle unserer Städtereisen zuvor. Piter, wie Sankt Petersburg von seinen Freunden genannt wird, war ein würdiger Auftakt für viele weitere russische Abenteuer und wird ewig in unseren Herzen bleiben.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Nach Schlüsselburg sollte man eher nicht direkt reisen, sondern besser die Elektritschka vom Finnländischen Bahnhof nach Petrokrepost (ca. eine Stunde) nutzen. Von dort ist es nur ein kurzer Fußweg zur Fähre, die einen zur Festungsinsel (das eigentliche Highlight) und weiter in die Stadt bringt.

Veliky Nowgorod liegt bereits auf fast einem Drittel des Weges nach Moskau, sodass es natürlich möglich ist, die drei historischen Hauptstädte Russlands miteinander zu kombinieren. Der Sapsan-Schnellzug braucht für die Strecke zwischen den beiden größten russischen Städten etwas weniger als vier Stunden. Veliky Nowgorod am nächsten liegt der Haltepunkt Tshudovo Moskovskoye, der sich mit einem Regionalzug in etwas mehr als einer Stunde erreichen lässt.

Auch Tallinn/Helsinki und Sankt Petersburg lassen sich hervorragend miteinander verbinden. Tallinn wird mit Air Baltic und Lufthansa aus verschiedenen deutschen Städten angeflogen. Zwischen der estnischen und der finnischen Hauptstadt pendeln etliche Fähren, die für die Überfahrt über den Finnischen Meerbusen nicht viel länger als zwei Stunden benötigen.

Von Helsinki nach St. Petersburg verkehrt wiederum der Allegro-Schnellzug, der die Stecke in weniger als vier Stunden bewältigt. Positiver Nebeneffekt ist, dass man an der Grenze keine Zeit verliert, weil im Zug kontrolliert wird. In Europa mag dies selbstverständlich erscheinen, für die Post-Sowjetunion ist ein solcher Service eher ungewöhnlich.

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