Mädels-Tour durch Burjatien und die Mongolei
In diesem Sommer musste ich ein wichtiges Projekt zu Ende bringen und war daher in Deutschland unabkömmlich. Allerdings hatten wir beschlossen, die Kleine mindestens einmal im Jahr in die Mongolei zu bringen und natürlich freute sich Solongo auch ohne mich auf ihre Familie. Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu kam, doch irgendwann saß meine Mama mit im Boot. Sie hatte in diesen zwei Wochen keine wichtigen Termine und verstand sich sowieso blendend mit meiner Frau, manchmal besser, als mit mir. Zudem hatte sie nach Soanas Geburt und während unserer Hochzeit Solongos Mama kennen und mögen gelernt. Die Beiden waren etwa im gleichen Alter und trotz fehlender Verständigungsmöglichkeiten stimmte die Chemie.
Nach anderthalb Tagen in Ulaanbaatar wollten Solongo, Soana, meine Mama, Solongos Mama sowie die Familie meiner Schwägerin Uyanga über die nördliche Selenge-Provinz und die burjatische Hauptstadt Ulan-Ude an den Baikal fahren, dessen Südseite erkunden und auf dem Rückweg nach Ulaanbaatar noch das eine oder andere Highlight der nördlichen Mongolei mitnehmen. Das am Ende alles ganz anders kam, ist nicht ungewöhnlich für diese Weltregion.
In Berlin-Tegel.
Es begann schon mit der Unterkunft in Ulaanbaatar. Wir hatten lange überlegt, wo wir meine Mama einquartieren sollen. Schließlich verstand sie kein Mongolisch und würde zwischendurch vermutlich gerne etwas Zeit für sich haben. Die erste Idee war, dass sie unweit der zentrumsnah gelegenen Wohnung meiner Schwägerin Uyanga ein Apartment bezieht. Das hätte durchaus klappen können, denn wir fanden auf Booking.com eine ganze Reihe solcher Angebote, doch Uyanga wollte lieber in ihrem Neubaublock nachfragen, ob nicht irgendeine Familie ihre Wohnung zur Verfügung stellen könne. Schließlich waren Ferien und deshalb viele Leute unterwegs im Land oder auf der Datscha. Es meldete sich aber niemand und dann musste in Uyangas Wohnung auch noch eine Wand erneuert werden, sodass auch Solongo und Soana lieber in Schwiegermamas Ein-Zimmer-Apartment unterhalb des Kriegerdenkmals unterkommen sollten. Schließlich und endlich stapelte sich dort auch meine Mama, was für die ersten anderthalb Tage aber kein Problem war.
Dann die Autos. Eigentlich wollte mein Schwager Nassa mit seinem eigenen fahren und wir würden uns ein zweites von einer Tante Solongos leihen. Doch zuerst fiel Nasaa aus, weil er beruflich zu einem großen Tagebau in der Südmongolei fliegen musste, und dann auch das Auto, welches sich nach einer kurzen Beratung mit der Werkstatt als nicht mehr tauglich für derart lange Touren erwiesen hatte. Schließlich zeigte sich, dass wir auch auf das Auto der Tante nicht zugreifen konnten, weil ebenfalls in der Reparatur.
Ich musste also umdisponieren. Dankenswerterweise fährt täglich ein Zug von Ulaanbaatar über Ulan-Ude nach Irkutsk. Los am Nachmittag und am frühen Morgen des darauffolgenden Tages in Ulan-Ude – also eigentlich perfekt. Dann rief ich die Mietwagenagentur an, bei der wir ein Jahr zuvor unseren etwas ältlichen, dafür aber zuverlässigen Renault Logan gemietet hatten. Das erste Auto war verfügbar, das zweite nicht mehr. Doch Sweta, die ich noch aus dem letzten Sommer kannte, sagte mir, dass sie schon irgendetwas organisieren könne. Das war dann auch so und sie wartete mit ihrem Kollegen und zwei Autos am Hauptbahnhof von Ulan-Ude.
Für den Rückweg passte die einmal wöchentliche Verbindung mit Hunnu Air, einer privaten mongolischen Airline, die mit einer kleinen Maschine von Ulan-Ude nach Ulaanbaatar fliegt. Es gab noch ausreichend Plätze und die Ticketpreise lagen mit knapp 70 Euro im Rahmen.
Der Baikal bzw. die gemeinsame Reise dorthin war also doch noch nicht „gestorben“.
Berlin-Ulaanbaatar-Ulan-Ude
Vor der Pandemie gab in den Sommermonaten wöchentlich eine Maschine, die direkt von Berlin-Tegel nach Ulaanbaatar flog und so das lästige Zwischenspiel in Moskau umging. Das klappte gut und Mama, Frau und Tochter landeten früh am folgenden Morgen wohlbehalten auf dem Dschingis Khan International Airport der mongolischen Hauptstadt. Von dort brachte sie mein Schwager Nasaa zu Schwiegermamas kleiner Wohnung ganz im Süden der Stadt. Frisch machen, Geld tauschen, Einkäufe erledigen, ein kurzer Bummel durch die Innenstadt und abends ordentlich Einstand feiern – das war der Plan für den ersten Tag.
Der „geheime“ Weg, der von hinten auf den Zaisan führt.
Der Zaisan, das ist der Berg mit dem Kriegerdenkmal, an dessen südlichem Fuß Schwiegermamas Wohnung liegt, hatte sich zunehmend als Naherholungsziel der Einwohner Ulaanbaatars etabliert. Ein paar Buden standen dort schon, als ich zwei Jahre zuvor mit Soana alleine in die Mongolei geflogen war. Auch das große Einkaufszentrum auf der anderen Seite war schon eröffnet. Seitdem sei aber noch Vieles hinzugekommen, wie sie mir begeistert schilderten. Sie saßen in einem neu eröffneten Ausflugslokal und es muss ein schönes erstes Treffen gewesen sein. In der Abendsonne hoch über den Dächern von Ulaanbaatar.
Abfahrt nach Ulan-Ude. Schwager Nasaa ist zwar auf dem Foto, fuhr aber nicht mit.
Am folgenden Tag fuhr vom Hauptbahnhof der Zug in Richtung Ulan-Ude. Er würde für die knapp 600 Kilometer etwa 18 Stunden benötigen. Gebucht war nur ein Viererabteil, was für sechs Personen inklusive der beiden gar nicht mehr so kleinen Mädchen relativ eng begrenzt war. Doch die Reisegesellschaft hatte Glück. Das Abteil nebenan stand frei und sollte nicht mehr frequentiert werden. Neben meiner Mama, meiner Schwiegermama, Solongo und Soana war auch meine Schwägerin Uyanga mit ihrer damals sechsjährigen Tochter Nomin an Bord – sechs Mädchen und Frauen auf dem Weg zum Baikal.
Noch ein paar Tipps zum Schluss
Es hat sich Vieles getan in den vergangenen Jahren, aber Ulaanbaatar ist von den Standards einer modernen Hauptstadt noch immer recht weit entfernt. Angemessene Unterkünfte zu finden, ist nach wie vor ein Problem. Die guten Hotels in der Innenstadt verlangen teilweise astronomische Preise, die einfachen Pensionen genügen oft nicht grundlegenden Standards. Nach und nach etabliert sich jedoch ein mittleres Segment und zunehmend werden auch Apartments angeboten.
Es bleibt jedoch ein Grundproblem, dass man ohne inländischen Support die Mongolei nicht angemessen bereisen kann. Mietwagen sind extrem teuer und die Jurtencamps auf dem Lande vollkommen intransparent. Kaum eines ist bei Booking.com oder anderen Portalen gelistet, Vorreservierungen sind meist nicht möglich und die unsäglichen Preisaufschläge für Ausländer bleiben weiterhin an der Tagesordnung.
Und so erscheint die Backpacker-Variante als einziger Ausweg. Sicherlich das maximale Abenteuer, doch es ist schon etwas anrüchig, wenn junge Leute – zumeist aus gutsituierten Elternhäusern – die Gastfreundschaft von Familien ausnutzen, die außer ihrem Vieh und einem äußersten bescheidenen Hausstand nichts besitzen. Die Mongolei jedenfalls hat davon keinerlei Vorteil.
Noch sind die Touristenzahlen recht hoch, doch das muss nicht so bleiben. Kasachstan und andere zentralasiatische Staaten starten aktuell aufwendige Tourismuskampagnen. Und so wird man im Sinne eines nachhaltigen Erfolgs an einer weiteren Professionalisierung des Angebots arbeiten müssen.