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Ostwärts Reisen

Mtskheta und die georgische Heerstraße

Bis hierhin war uns Georgien wie eine Verheißung vorgekommen. Die liebreizende Hauptstadt, die wilden Berge des Hohen Kaukasus, eine Glitzermetropole am Schwarzen Meer und die Kurparkidylle von Borjomi im Kleinen Kaukasus. Es wurde sogar noch etwas besser. So viel sei vorweggenommen.

Die alte Hauptstadt Mtskheta

Unsere Rundreise durch Georgien fand (fast) ihr Ende. Mittlerweile hatte ich mich mit der gebotenen Vorsicht dem georgischen Fahrstil angepasst und kreuzte zunehmend entspannt durch den täglichen Verkehr. Und außerdem war es auch gar nicht mehr weit von Borjomi zurück nach Tiflis. Das Frühstück im Thermalbadeort musste aber leider entfallen, weil der Tag – anders als in Russland – in Georgien erst spät erwacht. Also gleich durch nach Mtskheta, was laut Google.maps ohnehin nur zwei Stunden entfernt lag. Schon gegen zehn Uhr vormittags erreichten wir die einstige georgische Kapitale, wo wir es uns im Schatten der Swetizchoveli-Kathedrale in einem Gartenlokal gemütlich machten und Solongo endlich doch ihren morgendlichen Cappuccino genießen durfte.

Frühstück an der Sweitzchoveli-Kathedrale.

Mtskheta ist klein, aber fantastisch. Die vollständig restaurierte Altstadt schmiegt sich zwischen Aragvi und Kura. Mittendrin thront die prächtige Swetizchoveli-Kathedrale und drumherum erstrecken sich zahlreiche kleine Gässchen mit Andenkenläden, Imbissständen und Lokalen. Natürlich ist das etwas touristisch, aber irgendwie doch authentisch und heimelig. Und wem der Trubel zu viel ist, der sollte einfach kurz zur Mtskheta Antioch-Kapelle spazieren, hinter der sich Kura und Aragvi vereinigen. Wir veranstalten dort – direkt an den Sandbänken im Mündungsbereich – ein kleines Picknick und fragten uns, weshalb dieser herrliche Ort nur so wenige Menschen anzog. Umso besser für uns, denn wir konnten bei fantastischen Blicken die Ruhe genießen.

Danach spazierten wir zum festungsähnlich ausgebauten Samtavro-Nonnenkloster und nahmen schließlich das Auto hoch zur Jvari-Kirche über der Stadt. Die Gemäuer sind mehr als 1.500 Jahre alt und die Aussichten auf Mtskheta und seine Umgebung schier überwältigend.

Mtskheta mit seinen leidglich 8.000 Einwohnern war weit mehr als nur ein Zwischenstopp auf dem Rückweg nach Tiflis, sondern einer der Höhepunkte der gesamten Reise.

Blick von der Jvari-Kirche auf die alte georgische Hauptstadt Mtskheta am Zusammenfluss von Kura und Aragvi.

In Tiflis erwartete uns mal wieder das Abenteuer der Apartmentsuche. Wir schätzten die Privatheit und die Großzügigkeit unserer Wohnungen auf dem Weg, doch sie waren deutlich schwieriger zu finden als die repräsentativen Hotels. Heute mussten wir uns mit Tamia kurzschließen, die ein Apartment im siebten Stock eines sowjetischen Wohnblocks vermietete – direkt an der Schnellstraße am westlichen Ufer der Kura. Wir wollten uns am Haupteingang des Kulturministeriums treffen, welches wiederum gegenüber dem modern gestalteten Justizpalast lag. War schnell gefunden, doch nun standen wir hier in zweiter Reihe an bzw. in der sechsspurigen Schnellstraße. Ich war vermutlich der Einzige, den das kümmerte, denn selbst die Polizei ignorierte uns geflissentlich. Irgendwann kam unsere Vermieterin des Weges und lotste uns auf einen Parkplatz im Innenhof. Vom Apartment hatten wir in der einen Richtung Sicht auf den Justizpalast, die Kura und das andere Ufer sowie in der anderen auf den Campus der armenischen Schule. Die Hauptstadt hatte uns wieder.

Am folgenden Tag nahmen wir uns den Tifliser Norden vor. Vom Justizpalast zum Flohmarkt an der „Trockenen Brücke“ und über diese zum Saarbrücken-Platz auf der anderen Seite der Kura, wo nördlich das von deutschen Siedlern geprägte gründerzeitliche Viertel Marjanischwili anschloss. Hier hätte Schluss sein können, doch wir spazierten noch eine U-Bahnstation weiter zum wenig ansehnlichen Tifliser Hauptbahnhof. Die Tifliser Metro rumpelt genauso wie die in Moskau oder Sankt Petersburg, allerdings sind die Stationen weniger prächtig. Soana begeisterte sich vor allem für die endlosen Rolltreppen. Wir stiegen am Freiheitsplatz aus und flanierten nochmal durch die Innenstadt. Das war sehr schön, änderte aber nichts daran, dass uns in Tiflis so langsam die Pläne ausgingen.

Im von deutschen Siedlern geprägten Tifliser Gründerzeitviertel Marjanischwili..

Für den kommenden Tag entschieden wir uns für einen äußerst ambitionierten Ausflug, der zwar ein wenig anstrengend war, dafür jedoch zum Höhepunkt der gesamten Reise avancierte.

Die georgische Heerstraße bis zur russischen Grenze – und zurück

Wir standen dieses Mal etwas früher auf, denn allein die reine Fahrzeit zur russischen Grenze hinter Stepanzminda beträgt im besten Falle etwas mehr als drei Stunden. Schließlich wollten wir auf dem Weg noch das eine oder andere erleben und am Abend wieder zurück in Tiflis sein. Raus aus der Stadt ging es ganz gut, denn mittlerweile hatte ich auch im Tifliser Verkehrsgewirr etwas Routine erlangt. Kurz hinter Mtskheta verließen wir die Autobahn und begaben uns auf die Georgische Heerstraße in Richtung Norden.

Die ersten 30 Kilometer zogen sich noch flach dahin, doch ab dem Zhinvali-Stausee wurde es spektakulär. Unseren ersten Stopp legten wir an der Ananuri-Festung ein, die sich – direkt an der Straße gelegen – über den Stausee erhebt. Innerhalb der Feste weiß vor allem die Kirche zur Entschlafung der Gottesgebärerin zu begeistern – mit kunstvollen Reliefen außen und den Fresken im Inneren. Unbedingt sollte man aber auch den kleinen Weg runter zum See nehmen und die Aussicht auf die ab hier aufsteigenden Berge des Kaukasus genießen.

Hinter dem ersten Bergkamm liegt schon Südossetien.

Hinter Ananuri ging es in zahllosen Kehren hinauf in den Hohen Kaukasus. Immer wieder mussten schwerfällige Lkws russischer Bauart überholt werden, was nicht ohne Risiko war, doch irgendwie mussten wir ja vorankommen. Im Skiresort Gudauri 55 Kilometer hinter Ananuri war das Schlimmste überstanden. Drei, vier Kilometer nördlich des Ortes liegt eine ausgreifende Aussichtsplattform, die von einem im sowjetischen Realismus gehaltenen Panoramabild gekrönt war. Von hier ließ sich das gesamte Tal überblicken. Gleich hinter dem Bergrücken begann die abtrünnige Provinz Südossetien und tatsächlich hatten wir uns schon seit Ananuri stets an der De-Facto-Grenze entlangbewegt, wovon der eine oder andere Militärkonvoi kündete.

Südossetien war bis 1990 zwar eine autonome Oblast, zählte jedoch zur Georgischen Sowjetrepublik und hätte mit dem Zerfall der Sowjetunion deshalb an Georgien fallen müssen. Das wollten die mehrheitlich ossetischen Bewohner aber nicht, erklärten sich stattdessen für unabhängig und konnten diesen Status mit russischer Hilfe bis heute erhalten. Wobei das Wort „unabhängig“ nur für das Verhältnis zu Georgien gilt, denn allein ist das Gebiet nicht lebensfähig, hängt in jedweder Hinsicht am Tropf des russischen Bruders.

Nach einigen Provokationen von ossetisch-russischer Seite versuchte die georgische Armee unter Präsident Saakaschwili im Jahre 2008 das Gebiet zurückzuerobern, was allerdings schnell an der militärischen Übermacht der russischen Kräfte scheiterte. Georgien musste sich daraufhin verpflichten, die südossetische Selbstverwaltung zumindest informell zu akzeptieren und am aktuellen Status Quo nicht mehr zu rütteln. Insofern war es etwas skurril, dass das Panorama-Bild von Gudauri ausgerechnet die russisch-georgische Freundschaft thematisierte.

Von hier waren es nur noch zweieinhalb Kilometer zum Kreuzpass, wo sich ein kleines Kloster und ein Friedhof für deutsche Kriegsgefangene befanden. Der 2.400 Meter hoch gelegene Pass markiert die Hauptwasserscheide des Kaukasus und damit gleichzeitig die Grenze zwischen Europa und Asien. Hinter uns floss der Aragvi nach Süden, um sich in der alten georgischen Hauptstadt Mtskheta in die Kura zu ergießen. Vor uns lag das Tal des Terek, der sich in Richtung Norden wendete, um jenseits der Grenze die russische Großstadt Wladikawkas zu durchfließen und anschließend dem nördlichen Becken des Kaspischen Meeres zuzustreben.

Nun ging es wieder hinab und nach 25 weiteren Kilometern war in Stepanzminda die größte Siedlung der Region erreicht. Wir durchfuhren die Dariali-Schlucht mit ihren mächtigen Berghängen zu beiden Seiten. In der Mitte floss der Terek und ganz am Ende der Schlucht lag – zehn Kilometer hinter Stepanzminda – die russische Grenze. Kurz vor der georgischen Abfertigung ist in den vergangenen Jahren auf einer Anhöhe über der Straße ein prächtiger Klosterkomplex entstanden. Soana zündete im Innern der Kirche wie immer eine Votivkerze an, während ich mich für den Grenzverkehr interessierte, der sich von hier oben gut beobachten ließ. Die Schlange der wartenden Autos und Laster war überschaubar. Sie würden zunächst den georgischen Kontrollpunkt passieren, dann einen knapp zwei Kilometer langen Tunnel durchfahren und in Verkhny Lars auf die russischen Posten treffen. Noch 30 Kilometer weiter nördlich lag mit Wladikawkas die größte Stadt des russischen Kaukasus.

Mitten in der Dariali-Schlucht liegt der Grenzübergang nach Russland. Ganz in der Bildmitte ist die georgische Grenzstation zu erkennen.

Seit den kriegerischen Auseinandersetzungen von 2008 ist dies der einzige Übergang zwischen Georgien und seinem großen Nachbarn im Norden, zumal von russischer Seite aktuell sämtliche Direktflüge zwischen Russland und Georgien eingestellt sind.

Im Hintergrund der Kazbegi, der heilige georgische Berg.

Höhepunkt des Tages war die Gergetier-Dreifaltigkeitskirche hoch über Stepanzminda. Geübte Bergwanderer können sie nach einem Aufstieg von etwa einer Stunde auch zu Fuß erreichen, doch wir nahmen mangels Zeit die neu errichtete Straße. Es war die beste von vielen überwältigenden Aussichten auf unserer Georgien-Reise – auf der einen Seite der Kazbegi-Vulkan als heiliger Berg Georgiens und auf der anderen die vom Terek durchzogene Dariali-Schlucht. Auf einer kleinen Anhöhe unweit des Parkplatzes wurden im traditionellen Vielstimmgesang georgische Waisen geschmettert und wir schworen uns, in jedem Fall zurückzukehren – in dieses zauberhafte Land, aber auch an diesen speziellen Ort.

Nachdem wir uns in Stepanzminda kurz gestärkt hatten, mussten wir wieder zurück auf die lange Reise nach Tiflis, welches wir in der Abenddämmerung erreichten. Solongo hatte die Idee, mit dem Auto gleich durch auf den Mtatsminda-Berg mit dem Kinderpark zu fahren, um die nächtliche Aussicht über die georgische Hauptstadt zu genießen. Ich war an diesem Tag zwar schon viel zu lange gefahren, doch es hatte sich gelohnt – ein perfekter Moment.

Tiflis bei Nacht.

Den letzten Tag in Tiflis ließen wir austrudeln. Bissel Schlendern durch die Altstadt, ein paar Einkäufe und ansonsten sollte Soana zu ihrem Recht kommen. An einem kleinen Spielplatz nördlich des Freiheitsplatzes traf sie auf ein blondes Mädchen. Sarah sprach deutsch, kam aus Berlin und sollte samt ihren Eltern und dem noch sehr kleinen Bruder zu guten Freunden werden. Sie zeigten uns ein kleines Restaurant direkt gegenüber des Lederwarengeschäfts, an dem wir vor zwei Wochen gestartet waren. Ein wunderbarer letzter Abend in diesem besonderen Land.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Die Region rund um den Kazbegi und das Regionalzentrum Stepanzminda ist ein absolutes Highlight jeder Georgien-Reise. Unbedingt sollte man mindestens eine, besser zwei Nächte hier verbringen. Hinter dem Kreuzpass gelangt die Straße an den Lauf des Terek und folgt diesem bis zur russischen Grenze. Kurz bevor man den Fluss erreicht, zweigt in nordwestlicher Richtung eine Piste nach Nordwesten ab, die das obere Tal des Terek erschließt. Eine Wanderung durch die Trusso-Schlucht bietet atemberaubende Ausblicke. Man kann mit dem Auto so weit hineinfahren, wie es die Qualität der Wege gestattet und sich dann auf die eigenen Füße verlassen.

Zurück in Stepanzminda ist die Gergeti-Dreifaltigkeitskirche ein Muss. Erst kürzlich wurde eine asphaltierte Straße gelegt, allerdings lässt sich die Strecke auch per Fuß bewältigen. Der Aufstieg dauert etwa eine Stunde.

Mtskheta ist klein, schnell erschlossen, aber umso gemütlicher. Große Hotels dürfen hier nicht öffnen, weshalb man in einer der vielen Pensionen unterkommen wird. Diese eine Nacht sollte man mindestens erübrigen, weil die erste Hauptstadt Georgiens auch am Abend einen besonderen Reiz entfaltet. Zudem befindet man sich in Schlagdistanz zu Stalins Heimatstadt Gori. Auf dem Hinweg ist das Stalin-Museum über die Autobahn in nur einer Stunde schnell erreicht. Zurück erfordert die Landstraße entlang des südlichen Ufers der Kura nur wenig mehr Fahrzeit. Auf dem Weg sollte man unbedingt einen Zwischenstopp am prächtigen Höhlenkloster Upliszikhe einlegen.

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