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Ostwärts Reisen

Schnellkursus Mongolei

Nach genau einer Woche in Ulan-Ude und an der burjatischen Küste des Baikal kamen Mama, Solongo und Soana zum zweiten Mal am Flughafen von Ulaanbaatar an. Die kleine Maschine war erst am späten Nachmittag in Ulan-Ude losgeflogen, sodass die Sonne schon untergangen war, als sie von meinem Schwager wieder in Schwiegermamas Ein-Zimmer-Apartment am Fuße des Kriegerdenkmals gebracht wurden. Aufgrund der späten Stunde und der guten Stimmung wollten sie dort noch einmal zu viert übernachten. Danach würde man schon sehen. Letztlich hatte sich an dieser Konstellation auch an den folgenden Tagen nichts geändert, weil eigentlich niemand ein größeres Problem damit zu haben schien.

Sie saßen wohl noch lange auf der kleinen Terrasse, tranken Wein und reflektierten die Tage am Baikal. Nachdem sie ausreichend ausgeschlafen hatten, war der folgende sonntägliche Nachmittag den Sehenswürdigkeiten der mongolischen Hauptstadt vorbehalten – die übliche Tour vom Gandan-Kloster über den Sukhbaatar-Platz zum Kinderpark. Dass Schwiegermamas Wohnung ganz im Süden der Stadt lag, hatte bislang verhindert, dass sich meine Mama mit dem alltäglichen Verkehrswahnsinn von Ulaanbaatar konfrontiert sah, nun durfte sie aber endlich den berüchtigten Dauerstau erleben. Laufen ist gerade in der recht überschaubaren Innenstadt oft die bessere Option. Irgendwann kamen sie aber doch an. Meine Mama begeisterte sich vor allem für die riesige Janraisig-Statue im Gandan-Tempel und genoss ansonsten die spezielle Dynamik dieser mongolischen Metropole. Danach sollten endlich auch die beiden Mädels Nomin und Soana zu ihrem Recht kommen. Im ausgedehnten Kinderpark südlich der Innenstadt zwischen dem Chojin-Lama-Tempel und der Eisenbahn.

Am Abend waren meine Mama, Solongo und Soana eingeladen bei der zu diesem Zeitpunkt fast hundertjährigen Oma, dem unbestrittenen Oberhaupt der Familie. Sie trafen sich in der Wohnung von Solongos Tante, die es sich nie hatte nehmen lassen, uns bei den Reisen in die Mongolei mindestens einmal fürstlich zu bewirten.

Im Gandan-Tempel von Ulaanbaatar.

Terelj als würdiger Abschluss

Letztlich hatte alles super funktioniert und vor allem die Atmosphäre muss wohl einmalig gewesen sein. Alle Seiten kommen noch immer ins Schwärmen, wenn ich sie auf die gemeinsame Baikalreise anspreche. Ein kleiner Haken blieb jedoch. Meine Mama wollte eigentlich die Heimat ihrer Schwiegertochter kennenlernen, hatte von der eigentlichen Mongolei aber so gut wie nichts gesehen. Ulaanbaatar ist eine postsowjetische Großstadt, die sich nach und nach entwickelt, aber weit davon entfernt ist, als Metropole von Weltrang gelten zu dürfen. Wie heißt es so schön: Die Mongolei muss man lieben, Ulaanbaatar ertragen. Mit dem traditionellen Nomadenleben als Basis der mongolischen Kultur hat die Stadt jedenfalls so gut wie nichts zu tun. Sie ist eine Mischung aus sozialistischer Planarchitektur und den üblichen Glas- und Stahlkonstruktionen der globalisierten Welt. In der Innenstadt ist der kleine Chojin-Lama-Tempel das letzte Überbleibsel genuin mongolischer Traditionen. Man muss ihn suchen.

Was macht man also, wenn man die Mongolei zeigen will, nicht weit reisen kann und wenig Zeit hat? Man fährt nach Terelj. Das Tal in den Khentii-Bergen und nicht weit vom hier noch wilden Tuul-Fluss hat sich mittlerweile zu einem wahren Freilichtmuseum entwickelt. Richtig authentisch ist das nicht mehr, dafür aber lässt sich inmitten wunderschöner Natur alles ausprobieren, was man gemeinhin für „typisch mongolisch“ hält. Etliche Jurtencamps, Bars und Restaurants bieten behagliche Gastlichkeit inmitten spektakulärer Natur.

Das Resort liegt etwa 50 Kilometer östlich von Ulaanbaatar. Hinter der Siedlung Nalaikh biegt von der Trasse in Richtung Ostmongolei eine Straße nach Norden ab, die nach weiteren zwanzig Kilometern das Tal von Terelj erreicht.

Wenn man den Abzweig nach Terelj links liegen lässt, erreicht man 15 Kilometer weiter in östlicher Richtung das riesige Reiterstandbild Dschingis Khans, welches einige Jahre zuvor auf private Initiative errichtet worden war und sich sukzessive zu einem umfassenden Themenpark für mongolische Geschichte entwickelt hatte.

Mamas erste Nacht in einer mongolischen Jurte.

Also zuerst zum riesigen Reiterstandbild und dann weiter nach Terelj, um in einem dortigen Jurtencamp die Nacht zu verbringen. Das war der Plan, der allerdings schon nach wenigen Kilometern einer kleinen Modifikation bedurfte. Eines der beiden Autos hatte seinen Geist aufgegeben und musste nun vom Pannendienst zurück nach Ulaanbaatar überführt werden. Also quetschten sich nun alle sechs Personen in Uyangas altersschwachen Toyota. Die beiden kleinen Mädchen wurden angewiesen, sich bei jeder Polizeisichtung möglichst gut zu verstecken, eine Ansage, der sie mit wachsender Begeisterung nachkamen.

Dschingis Khan auf seinem Pferd ist inmitten der weiten Steppe tatsächlich ein bemerkenswerter Anblick, der aber auch die Frage nach der Angemessenheit von derart gewaltigen nationalen Monumenten in einem ansonsten recht armen Land aufwirft. Aber gut. Es war da, es war schön und es wurde besichtigt. Drumherum nutzten die Nomaden der Region die Gelegenheit, allerlei touristischen Schnickschnack anzubieten. Meine Mama durfte Bogenschießen, weben und vor allem echten mongolischen Airag genießen. Das mit dem Genuss ist allerdings so eine Sache, denn es handelt sich um Stutenmilch, die man vergären ließ, um einen leichten Alkoholgehalt zu generieren. Solongos Mama mochte es sehr und behauptete, sogar die regionale Herkunft erschmecken zu können. Bei meiner Mama sorgte der säuerliche Geruch jedoch für ausgeprägte Skepsis. Sie überwand sich dann doch und ihr extrem verzogenes Gesicht bringt – weil auf Video gebannt – noch immer die ganze Familie zum Lachen. Die andere Oma – mittlerweile die liebe Oyunaa – könne sich ja mit dem Zeug beladen, sie hingegen würde sich fortan auf die verbliebenen Riesling-Vorräte konzentrieren.

In Terelj machten sie die üblichen Stopps am Schildkrötenfelsen und am Aryapala-Tempel mit seiner grandiosen Aussicht über das gesamte Tal. Noch wichtiger war aber, dass meiner Mama ein letzter Abend inmitten unberührter Natur und danach die erste Nacht in einer mongolischen Jurte bevorstand. Später würde sie dieses Erlebnis sogar höher gewichten als die Fahrt zum Baikal.

Auf dem Weg zurück nach Ulaanbaatar verhinderte der übliche Megastau das ursprünglich geplante Abschiedspicknick auf dem Zaisan-Berg, doch dieser Umstand konnte die Reminiszenz an eine ansonsten perfekte Reise nur unwesentlich trüben. Von allen Beteiligten werden die Tage zwischen Ulaanbaatar, dem Baikal und zurück noch immer euphorisch umschwärmt. Gruppendynamisch war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass – bis auf Solongo – niemand den Baikal kannte, sich alle in einem fremden Land orientieren und sich dabei gegenseitig unterstützen mussten. Das erzeugt einen ganz anderen Geist, als wenn die eine Seite die andere nur herumführt. Terelj am Ende war für meine Mama die sprichwörtliche Kirsche auf der Torte, wiewohl dieses Areal bei vielen Mongolei-Puristen womöglich nicht so gut ankommen wird.

Ein pittoreskes Tal inmitten der malerischen Khentii-Berge. Foto: Vidor

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Terelj entspricht nicht so sehr dem Klischee vom wildromantischen Nomadenleben, welches man gemeinhin von der Mongolei erwartet. Doch man kann es auch entspannter sehen. Es ist ein liebliches Tal nicht weit von Ulaanbaatar mit schönen Aussichten, einem wilden Fluss und allerlei Annehmlichkeiten. Man sollte eine Mongoleireise keinesfalls auf Terelj beschränken, doch was spricht dagegen, die Entbehrungen langer Überlandtouren und nicht sonderlich bequemer Unterkünfte hier ausklingen zu lassen? Einsamkeit, Weite und Stille hat man schon erlebt, nun kann man sich dem Genuss zuwenden. Mit annehmbaren Restaurants, verschiedensten Freizeitaktivitäten, schönen Fotomotiven und abendlichen Feiern.

Und wem es doch zu viel sein sollte, der muss nur ausreichend gen Norden in die Khentii-Berge hineinfahren. Nach dem Dorf Terelj endet die Straße. Wenn man von dort weiter in das Tal des Tuul-Flusses vordringt, wird es mit jedem Meter spürbar ruhiger.

Nicht weit von Terelj findet sich direkt an der Straße zwischen Ulaanbaatar und dem Osten des Landes das silbrig schimmernde, riesige Reiterstandbild Dschingis Khans. Umgeben von allerlei folkloristischen Darbietungen, Kunsthandwerk und anderweitig Traditionellem. Natürlich ist das weder authentisch noch exklusiv, doch auch daran muss man sich nicht zwingend stören.

Ebenfalls nicht weit entfernt liegt in den südlichsten Ausläufern des Khentii-Gebirges der Nagalkhaan Uul, wo in einem Themenpark mit großem Aufwand die technischen, gesellschaftlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten des 13. Jahrhunderts nachgestellt sind und sich sechs Stationen inmitten einer klassischen Steppenlandschaft verschiedenen Aspekten des Alltagslebens unter Dschingis Khan widmen.

Der Tuul-Fluss bildet die südliche und östliche Begrenzung des Nationalparks. Foto: Römert

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