Über Moskau nach Burjatien
Die Idee war, dass sich die Familie dieses Mal am Baikal zusammenfindet. Wir würden nach Ulaanbaatar reisen und dann gemeinsam den Weg über die russische Grenze nach Burjatien nehmen. Munkhtsetseg sollte mit ihrer Familie auch dabei sein. Ich hatte alles ausreichend vorbereitet und die Unterkünfte teilweise vorgebucht. Letzteres ließ sich problemlos stornieren, doch es war am Ende schon ein wenig traurig, dass so wenig von meinem ursprünglichen Plan übrigblieb. Es hatte mich viel Zeit gekostet, alle Parteien untereinander abzustimmen und einen darauf basierenden Reiseplan zu entwerfen. Doch nach und nach sagten alle ab. Zuerst wollte Schwester Uyanga einen medizinischen Eingriff vornehmen lassen, dann kam Munkhtsetseg beruflich was dazwischen und schließlich trug sich Mama mit dem Gedanken, den kürzlich nach Kalifornien ausgewanderten Sohn Tulga zu besuchen.
Hat nicht sollen sein. Vielleicht das nächste Mal. Einstweilen das Beste draus machen, war nun die Devise. Solongo, Soana und ich wollten mit drei Tagen Moskau starten, weiter nach Ulan-Ude fliegen und mit einem Mietwagen am Baikal herumfahren. Am Ende würde ich meine beiden Mädels in Ulan-Ude in den Flieger nach Ulaanbaatar setzen und selbst wenig später über Moskau nach Berlin zurückzufliegen.
Mehr als nur Kreml und Roter Platz
Wir flogen tatsächlich mit MIAT nach Moskau, würden also bei der obligatorischen Zwischenlandung auf dem Weg nach Ulaanbaatar nicht mehr das gelbe Transferkärtchen erhaschen müssen, sondern könnten direkt in Richtung Ausgang gehen. Soana war mittlerweile zwei Jahre alt, benötigte ein eigenes Ticket, bekam einen Sitzplatz zugewiesen und durfte ihren Koffer mit bis zu 23 Kilogramm beladen. Wir hatten also knapp 70 Kilogramm zur Verfügung, was weidlich für Geschenke und Mitbringsel ausgenutzt wurde.
Nun ist die Moskauer Metro leider nicht behindertengerecht. Am internationalen Flughafen Scheremetjewo ging es noch, danach kann ich mich nur noch an eine endlose Armada von Treppen entsinnen. Ich wuchtete gleichzeitig drei Koffer und Taschen hoch und runter. Meine Frau, deutlich zierlicher als ich, leistete ihren Beitrag und musste nebenbei auf die Kleine Acht geben, was gar nicht so einfach war im Gewühl des Moskauer Feierabendverkehrs. Wir mussten zweimal umsteigen, die Wege waren lang und wir am Ende vollkommen verschwitzt. Nach knapp anderthalb Stunden erreichten wir endlich wohlbehalten unsere Station Oktrjabskaya unweit des Gorki-Parks.
Es war vor allem die Vielzahl kurzer Treppen, die einen verzweifeln ließ. Immer wieder aufs Neue abbremsen, draufschaffen und hoch- bzw. runterwuchten. Noch heute lachen wir darüber, wie einige Passanten wortlos einen oder zwei Koffer nahmen, die Treppe rauf- oder runtertrugen und ebenso wortlos von dannen gingen. Ein-, zweimal geschah dies sogar mit Soana, was wir ein wenig spooky, aber auch ziemlich cool fanden.
Erste Eindrücke im Gorki-Park.
Die Einrichtung unseres Hotels war ein Traum für Sowjet-Nostalgiker. Wir waren zufrieden mit unserem geräumigen Zimmer, allerdings hätten – hoch über der ersten Ringstraße – die Fenster etwas dichter sein dürfen.
Soana war schon ziemlich müde, doch wir schleppten sie noch in den nahegelegenen Gorki-Park. Sie bekam eine Nudelpfanne als Abendessen und war ansonsten schwer fasziniert von den Wasserspielen.
Solongo hatte Moskau noch nicht gesehen, weshalb wir zunächst einmal die Innenstadt besichtigen wollten. Es war sehr heiß, doch immerhin brachten die vielen Brunnen im Gorki-Park und entlang der Moskwa etwas Abkühlung. Das Denkmal Peters des Großen rühmt den Zaren als Befehlshaber der russischen Flotte im Großen Nordischen Krieg gegen die Schweden. Peter stand hoch am Bug eines mittelterlichen russischen Kriegsschiffes direkt an der Moskwa. Soana nannte ihn nur „den Piraten“.
Vor der Christ-Erlöser-Kathedrale.
Über die Christ-Erlöser-Kathedrale ging es weiter zum Roten Platz. Nicht weit entfernt lagen das Bolshoi-Theater, die ehemalige KGB-Zentrale Lubjanka sowie der Twerskaya-Prospekt. Im Feinkostladen Jelisejew bestaunten wir die lukullische und innenarchitektonische Pracht des zaristischen Russlands und einigte Meter weiter speisten wir stilvoll im Café Puschkin zum Nachmittag. Das war als Anfang schon mal ganz gut. Am frühen Abend fuhren wir mit der Metro noch zum modernen Wolkenkratzerviertel im Westen der Stadt, wo sich allein sechs der acht höchsten Gebäude Europas befinden. Ein Musik-Festival im Gorki-Park rundete unseren ersten vollen Tag in Moskau perfekt ab.
Der prachtvolle Feinkostladen Jelisejev in der Twerskaya-Straße.
Am nächsten Morgen nahmen wir den O-Bus zum Hauptgebäude der Lomonossow-Universität. Von den nahegelegenen Sperlingsbergen hatten wir einen wunderbaren Blick auf die ganze Stadt. Direkt am gegenüberliegenden Ufer lag das Nationalstadion Lushniki, wo zwei Wochen zuvor das Fußball-WM-Finale zwischen Frankreich und Kroatien ausgetragen worden war. Ein kleiner Weg führte runter an die Moskwa, auf der uns ein Linienboot zur Großen Steinernen Brücke direkt am Kreml brachte. Ich hatte schon im vergangenen Jahr mehr oder weniger aus Zufall gelernt, wie man die berüchtigt langen Besucherschlangen am Kreml umgehen kann. Keine Ahnung, wieso niemand im sonst so mondänen Moskau die Ticketautomaten nutzte, doch uns sollte es recht sein.
Nur eine von vielen Impressionen aus der Allsowjetischen Ausstellung VDNKh.
Von der U-Bahnstation Kitai-Gorod wollten wir mit der Metrolinie 6 zum Moskauer Fernsehturm Ostankino fahren. Als wir an der Station VDNKh ausstiegen, entdeckten wir mehr aus Zufall das riesige Gelände der Allsowjetischen Ausstellung. Dieses wurde in den 1930er Jahren errichtet, um die Errungenschaften beim Aufbau des sozialistischen Staates zu feiern. Zunächst fällt die monumentale Arbeiter- und Bauernstatue ins Auge, danach die prachtvollen Pavillons und Torbögen. Allen 15 Unionsrepubliken waren aufwendig gestaltete Ensemble gewidmet. Dazu gab es einige thematische Schwerpunkte, wie den berühmten Raumfahrtpavillon, wo unter anderem die einzige sowjetische Raumfähre Buran ausgestellt war. Insgesamt umfasst das Gelände mehr als 250.000 Quadratmeter, ist also größer als das Fürstentum Monaco und ein hervorragendes Beispiel der neoklassizistischen Sowjetpracht, welches auch heute noch viele Moskauer zum Wochenendausflug lockt. Die riesigen Teiche mit ihren Wasserspielen sind gesäumt von allerlei Verkaufsständen und Kiosken. Im Erdgeschoss einiger Pavillons haben sich gemütliche Lokale eingerichtet.
Der Weg über die allsowjetische Ausstellung bis zum Moskauer Fernsehturm Ostankino ist etwa fünf Kilometer lang, lohnt aber in jeder Sekunde. Wir hatten Glück, dass Soana pünktlich zum Mittag einschlief. Es war die letzte Reise, auf der wir unseren Buggy mitschleppten. Der war bei den beschwerlichen Übergängen zwischen den verschiedenen Moskauer Metrolinien eher hinderlich, nun tat er uns zum letzten Mal gute Dienste.
Knapp 500 Meter über Moskau.
Der Fernsehturm in Ostankino ist mit 537 Metern das höchste freistehende Bauwerk Europas, war bis 1975 sogar weltweit die Nummer Eins. Nach einem Brand im Jahre 2000 ist er seit 2009 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Aus unerfindlichen Gründen durften Kinder unter sechs Jahren jedoch nicht auf die Aussichtsplattform, sodass Solongo und ich uns abwechseln mussten. Für Leute mit Höhenangst sei erwähnt, dass der Boden der Aussichtsplattform zum Großteil aus Glas besteht.
Am Tag darauf wollten wir mit voller Absicht nach Ulan-Ude reisen und nicht aus Zufall wie ein Jahr zuvor. Wieder würde unsere Maschine erst spätabends abheben und durch die Nacht fliegen. Es war also noch Zeit für den einen oder anderen Ausflug. Der Kreml von Ismailowo ist kulturhistorisch nicht sonderlich wertvoll, dafür aber ein herrlich verkitschter Nachbau der russischen Holzarchitektur. Und natürlich sind wir noch einmal auf der Moskwa herumgeschippert. Anschließend fanden wir auf der Südseite des Flusses im Viertel rund um die Tretjakow-Galerie ein gemütliches Selbstbedienungslokal mit etlichen schmackhaften russischen Speisen zu annehmbaren Preisen.
Es war noch einmal eine extreme Mühsal. Kind, Koffer und den Buggy durch die Moskauer Metro zu wuchten. Am vergleichsweise modernen Flughafen von Domodedowo lief dann aber alles wie geplant. Schlaf konnten wir zwar kaum finden, doch immerhin erreichten wir in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages die burjatische Hauptstadt Ulan-Ude. Die Sonne war gerade über der weiten Steppe aufgegangen und die Landschaft schimmerte in einem besonderen Licht. Das Abenteuer konnte beginnen.
Noch ein paar Tipps zum Schluss
Die drei Moskauer Flughäfen Sheremetjevo, Domodedovo und Vnukovo bilden die zentrale Drehscheibe für den Verkehr zwischen Europa, Russland, dem Kaukasus, Zentralasien und partiell auch für die Mongolei. Alle drei werden mit Flügen unterschiedlicher Airlines regelmäßig aus Deutschland bedient und sind durch leistungsfähige Schnellzüge mit dem Moskauer Zentrum verbunden. Die Fahrt in die Stadt lässt sich aber auch mit dem Taxi recht kostengünstig absolvieren. Die neu erwachte Konkurrenz aus Uber, Yandex und anderen Plattformen sorgt für niedrige Preise und ist gerade mit Gepäck deutlich bequemer.
Die Moskauer Metro ist das umfangreichste und am stärksten genutzte U-Bahn-System Europas. Funktioniert noch immer recht gut, ist aber nicht sonderlich modern und keinesfalls behindertengerecht. Die Züge verkehren in engen Frequenzen. Bei drei oder mehr Fahrten lohnt sich der Erwerb einer Tageskarte, die ab dem Kaufzeitpunkt genau 24 Stunden gültig ist.
Gerade im Sommer, wenn die kontinentale Hitze drückt, empfiehlt es sich, einen Tag für die großen Kirchen der Stadt und das Lenin-Mausoleum zu reservieren und sich entsprechend „sittsam“ zu kleiden. Keine Shorts für Männer, Knie-, Schulter- und Haarbedeckung für Frauen. Auf Ausnahmen oder Sondergenehmigungen sollte man nicht hoffen.
Die beliebtesten Ausgehviertel sind Arbat westlich und der Tverskoy Distrikt nördlich der Innenstadt.