Skip to main content
Ostwärts Reisen

Von Batumi nach Borjomi

Zum ersten Mal in Georgien. Von Tiflis ging es über Kutaissi in die historische Region Swanetien direkt im Hohen Kaukasus. Das war äußerst beeindruckend, aber nun wollten wir endlich ans Meer…

Eine eigentümliche Stadt, die Vieles vorhat

Es war schon ein wenig knifflig, im andauernden Starkregen die Kehren der Enguri-Schlucht hinabzufahren, doch richtig kritische Situationen gab es nicht. In Zugdidi erreichten wir die Ebene des Kolchis, in Grigoleti machten wir einen ersten kurzen Abstecher ans Meer und kurz vor Batumi hörte es endlich auf zu regnen.

Unser Hotel lag sehr versteckt, niemand antwortete auf unsere Anrufe und wir brauchten lange, um es zu finden. Die verwirrende georgische Adress- und Straßenführung hatte uns schon in Tiflis zu schaffen gemacht, doch die Inasaridze-Straße in Batumi nahm einen noch bemerkenswerteren Verlauf.

Eine komische Stadt.

Das Zimmer war zwar sauber, ansonsten würden wir das GM Family Hotel nicht unbedingt weiterempfehlen. Es war die erste und einzige kleinere Enttäuschung auf einer ansonsten großartigen Reise. Aber egal. Es warteten die zweitgrößte Stadt Georgiens und endlich der Strand.

Batumi ist eine der eigentümlichsten Städte, die wir je besucht hatten. Die Strandpromenade soll die längste weltweit sein, zumindest wird damit geworben. Es reiht sich ein Hotel respektive Apartmentkomplex an den anderen. Die Architektur ist nicht sonderlich einfallsreich, doch immerhin wird in der Nacht mit musikalischen Wasserspielen und Lichttechnik ein Flair erzeugt, das – deutlich erkennbar – die US-amerikanische Glücksspielmetropole Las Vegas zum Vorbild hat. In den Nachtstunden ist die Promenade von etlichen Ständen und kleineren Fahrgeschäften umsäumt, die nicht immer sehr vertrauenswürdig verankert sind.

Die Mehrzahl der Gebäude ist entweder halbfertig oder halbverfallen. Dazwischen wurden einige kleinere Parks und Teiche angelegt, die zum Verweilen einladen. Eine besondere Attraktion ist das Delphinarium zwischen Siegespark und Strand, wiewohl die tierrechtlichen Aspekte hier mal zur Seite stehen.

Je weiter man in Richtung Norden kommt, desto weniger verkitscht, desto gewachsen urbaner wird es. Nördlich ist die Altstadt von breiten Parkanlagen und gediegenen Hotels begrenzt. Neben dem unvermeidlichen Riesenrad liegt die berühmte „Ali- und Nino-Statue“, die die Geschichte eines Pärchens erzählt, welches sich niemals finden durfte. Der eine Moslem, die andere Christin. Romeo und Julia auf kaukasisch. Mein persönliches architektonisches Highlight war ein Turm am Südende des beschriebenen Areals, welcher auf angenehme Weise den Sowjetklassizismus mit modernen Elementen verband und genau die Grenze zwischen Kitsch und Verspieltheit wahrte. Unter der Präsidentschaft Saakaschwilis sind eine Menge solcher Bauten entstanden, die sich unseres Erachtens geschmackvoll in die Umgebung fügten und sie gleichzeitig durch eigene Impulse bereicherten. Das riesige fischartige Gebäude im Tifliser Rike-Park, das Parlament in Kutaissi, der soeben beschriebene Turm und viele andere haben eines gemeinsam – sie stehen leer. Saakaschwili – das muss gesagt werden – hat nie in die eigene Tasche gewirtschaftet, dafür aber öffentliche Gelder mit vollen Händen verschleudert und das Land in einen sinnlosen Krieg mit Russland gestürzt, den es nie gewinnen konnte. Weil gegen ihn ein Strafbefehl wegen Untreue vorlag, lebte er lange im ukrainischen Exil und wurde nach seiner Rückkehr im Herbst 2021 sofort verhaftet.

Am Hafen unweit der Innenstadt.

Saakaschwilis positives Erbe ist der erfolgreiche, weil sehr radikale Feldzug gegen die Korruption sowie die Rückführung der einstmals abtrünnigen Region Adscharien in den georgischen Kernstaat. Das ist genau die Gegend um Batumi, die bis heute autonom verwaltet wird. Die Adscharen sehen sich mehrheitlich als ethnische Georgier. Was sie vom Rest des Volkes unterscheidet, ist ihr mehrheitlich sunnitischer Glaube.

Die Altstadt von Batumi repräsentiert diesen Mix verschiedener Kulturen. Zunächst das muslimische Viertel mit der Zentralmoschee in dessen Herzen, etwas südlich davon der eher russisch geprägte Teil mit der orthodoxen Jungfräulichkeitskathedrale und dazwischen die alte Synagoge. Der Norden wirkt gründerzeitlich modern. Heute haben sich hier viele exquisite Boutiquen und Geschäfte etabliert. Ein wenig kitschig mutet die Piazza Batumi ein, wo inmitten eines Innenhofes ein „typisch“ italienisches Plätzchen nachgestellt wird – mit Tanz, Musik, Wasserspielen und Gastronomie, an den Abenden üppig beleuchtet.

Östlich der Altstadt findet sich am Fährhafen die Talstation der Argo-Seilbahn, die auf den gleichnamigen Berg über der Stadt führt. Von oben sieht Batumi tatsächlich wie eine richtige Traumstadt aus – am Meer gelegen, mit einer unbescheidenen Skyline und nach Süden wie Norden weit ausgreifend. Alternativ lässt sich diese Aussicht auch von der nicht weit entfernten und neu eröffneten Sameba-Kirche aus genießen.

Die Schwarzmeermetropole Batumi.

Wir latschten alles ab. Etwa auf halber Höhe zwischen den Strandhotels im Süden und der Altstadt im Norden trafen wir an einer Hüpfburg ein kasachstandeutsches Pärchen, deren Sohn sich genauso wie unsere Soana sichtlich darüber freute, endlich mal wieder ein anderes Kind deutsch sprechen zu hören. Sie hatten sich eine Eigentumswohnung in Batumi gesichert und zudem eine kleine Immobilienvermittlung aufgebaut, die vor allem deutschen Kunden Investments in Stadt und Region schmackhaft machen soll. Ich war mir nicht so sicher, ob das lohnenswert sein könnte. Einerseits sah mir Vieles zu sehr nach Blase aus, andererseits ist das Wachstumspotential durch Kunden aus China, Indien, dem Mittleren Osten und der ehemaligen Sowjetunion durchaus gegeben und ähnlich wie Nevada könnte auch die adscharische Metropole von einer liberalen Glücksspielpolitik profitieren. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich Batumi in den kommenden Jahren entwickeln wird.

Bissel kitschig vielleicht, aber trotzdem schön.

Solongo und ich waren uns vollkommen uneins, was wir von diesem seltsamen Konglomerat halten sollten. Für sie war es der beste Ort auf der ganzen Reise, für mich das glatte Gegenteil.

Doch auch ich hatte meinen Spaß. So war es nicht. Das Wetter war perfekt. Baden, Sonnen, Spazieren, Tanzen auf der Piazza, Flanieren durch die Altstadt. Ein sehr gutes Fischrestaurant am Fischmarkt nördlich und ein ebenso empfehlenswertes russisches Lokal am südlichen Ende der Altstadt. Am letzten Abend machte meine Frau ein an Kitsch kaum zu überbietendes Video. Soana tanzte in der Brandung dem Sonnenuntergang entgegen und Papa schwamm ein paar Züge im offenen Meer. Wie mir ein Einheimischer am Tag zuvor erzählte, sei dies die beste Zeit zum Baden, weil Restaurants und Hotels zu dieser Stunde die wenigsten Abwässer einleiten würden. Das müsste sich dann also noch verbessern, bevor Batumi zum Las Vegas am Meer aufsteigen kann. Gegen den groben Steinstrand lässt sich nur schwerlich etwas tun, doch auch der ist ziemlich störend.

Die Sonne war pünktlich zu unserer Ankunft in Batumi herausgekommen und sollte ebenso pünktlich vor der Abfahrt wieder in strömenden Regen übergehen. Wir hatten lange überlegt, ob wir unserem Stadtauto die pittoreske, aber auf 80 Kilometern unbefestigte Straße durch den gar nicht so Kleinen Kaukasus (immerhin auf mehr als 4.000 Meter aufragend) antun oder lieber den Umweg durch die Kolchische Ebene wählen sollten. Der sintflutartige Regen nahm uns die Entscheidung ab. Wir kamen wieder ganz gut durch und erreichten nach viereinhalb Stunden das Thermalresort in Borjomi.

Heilende Wässer

Der Name der Stadt Borjomi war uns von den Etiketten der führenden Mineralwassermarke des Landes bekannt. Unser Apartment lag direkt über einem kleinen Bergfluss, dessen Wasser der nahegelegenen Kura entgegendonnerte. Umso wilder nach dem Starkregen der vergangenen Tage. Direkt daneben befanden sich die Talstation einer kleinen Seilbahn und der Eingang zum Kurpark. Natürlich bestiegen wir zunächst die Seilbahn. Die Fahrt lohnt schon allein wegen der altertümlichen Kabine, doch oben lockte anstatt des üblichen Kinderparks nur ein stillgelegtes Riesenrad. Nach dem ganzen Trubel in Batumi wirkte Borjomi angenehm beschaulich. Eine typische Kurstadt halt. Bereits im ersten Jahrtausend nach Christus wurden die Quellen der Region für Heilzwecke genutzt. Im beginnenden 19. Jahrhundert trugen russische Soldaten die Kunde von der heilenden Wirkung des Wassers nach Sankt Petersburg und ab 1850 entwickelte sich der Kurtourismus. Ähnlich wie in den böhmischen Bädern können die Kurgäste von Quelle zu Quelle ziehen und von verschiedenen Wässern kosten. Und auch in der Umgebung finden sich im waldreichen Borjomi-Kharagauli-Nationalpark etliche heilende Quellen.

Blick von der Bergstation der Seilbahn auf den Kurpark im Vordergrund und die eigentliche Stadt Borjomi dahinter.

Weil es sich noch immer ein wenig ausregnete, machten wir einen kurzen Abstecher mit dem Auto zum Mtsvane-Kloster. Die zehn Kilometer südlich von Borjomi gelegene Anlage wirkt recht beschaulich, ist aber immerhin fast 1.200 Jahre alt und durchgängig bewohnt. Nachdem wir gemütlich georgisch gegessen und Soana zum Schlafen gebracht hatten, machten wir es uns auf der Terrasse unseres Apartments mit Mukuzani-Rotwein bequem und bestaunten das Haus auf der anderen Seite der wilden Borjomula. Es quetschte sich auf einen extrem schmalen Uferstreifen zwischen dem Wildbach und hoch aufragenden, nahezu senkrechten Felsen. Einzige Verbindung zum Rest der Stadt war eine gewagte Holzkonstruktion auf unsere Seite des Flusses. Am bemerkenswertesten waren die beiden riesigen Bäume, von denen einer durchs Terrassendach wuchs und der andere – erheblich stämmigere – direkt durchs Wohnzimmer ragte. Schwer zu glauben, doch wir saßen nur wenige Meter entfernt.

Direkt gegenüber von unserem Apartment sahen wir dieses unmögliche Haus auf dem anderen Uder der Borjomula. Man sieht es zwar nicht, doch direkt dahinter erhebt sich eine senkrechte und mehr als hundert Meter hohe Felswand.

Am nächsten Tag spazierten wir durch den beschaulichen Kurpark, wo sich unsere Kleine mit allerlei Spielplätzen und kleineren Fahrgeschäften vergnügen durfte. Das hatte sie sich verdient, denn sie trug mit nahezu ununterbrochener Quatschmacherei auf den langen Fahrten erheblich zum Gelingen unseres straffen Reiseprogramms bei.

Am Ende des Parks sollte ein knapp sechs Kilometer langer Weg zu einer heißen Quelle führen. Quads konnten gebucht werden, die Preise waren jedoch mit 30 Euro pro Strecke geradezu unerhört hoch. Ein Blick auf die Karte verhieß einen Ausweg. Wir „kletterten“ mit dem Auto auf einer asphaltierten Straße den Berg hinauf und wollten mal gucken, ob sich bei der Ortschaft Sadgeri nicht ein kleiner Weg runter zum Borjomula-Flüsschen und den Schwefelthermen finden ließe. Dem war auch so. Es war wegen des Regens der vergangenen Tage ein wenig rutschig, doch es ging. Das Thermalbad hatte angenehme 35 Grad und es wurde ein wunderschöner Nachmittag inmitten der bewaldeten Höhen des Kleinen Kaukasus. Neben dem Badevergnügen begeisterte sich Soana zum wiederholten Male für die georgische Tierwelt – weidende Schweine am Straßenrand, Schafs- und Ziegenherden, wilde Pferde, die uns den Weg hinauf nach Sadgeri begleitet hatten, die Riesenqualle in Batumi und nun das Babykätzchen an der heißen Quelle.

Baden an der warmen Quelle.

Den Abend verbrachten wir in einem sehr georgischen Lokal abseits des Kurparks. Ausländer waren zwar willkommen, aber offenkundig nicht häufig. Auch dies wurde wieder ein bemerkenswerter Abend, bei dem Russisch eine große Hilfe war. Man kann in Georgien auch mit Englisch zurechtkommen. Das gilt insbesondere für Tiflis und mit Abstrichen auch für Batumi. Überall sonst wird außer Georgisch fast nur Russisch gesprochen. Es war höchstselten, dass das nicht verstanden wurde, wiewohl wir aufgrund der politischen Friktionen immer erst auf Englisch einleiteten, um das Ganze schnell auf Russisch zu wiederholen, also kenntlich machten, dass wir zwar die Sprache beherrschten, aber nicht aus dem Feindesland kamen.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

In Batumi sollte man vielleicht gar nicht baden, weil die Abwasserbelastung durch die Tourismusindustrie noch immer erheblich ist. Als Alternative bietet sich der Badeort Kobuleti an, wobei der Strand auch hier recht kieselig ist.

In Batumi selbst würde ich eine Unterkunft eher in der Altstadt wählen und nicht an der extrem touristischen Strandpromenade im Süden der Stadt mit all ihren Hotels und Apartmenthäusern. Von der Batumi Piazza inmitten des historischen Zentrums lassen sich sämtliche Sehenswürdigkeiten der Stadt zu Fuß erreichen – die Ali & Nino-Statue, der Park des 6. Mai mit dem Delfinarium, der Hafen mit seinen hervorragenden Fischrestaurants sowie die Seilbahn hinauf auf das die Innenstadt überragende Bergmassiv.

Vor dem Kurpark von Borjomi wird man angesprochen werden, ob man nicht mit Quads die drei Kilometer zu einer warmen Schwefelquelle überbrücken will. Die Preise sind allerdings für georgische Verhältnisse astronomisch und der Weg am Flüsschen Borjomula erstens reizvoll und zweitens leicht machbar. Alternativ führt oberhalb der Schlucht eine Asphaltstraße zur Schwefelquelle. Allerdings muss vom Parkplatz aus ein steiler Abstieg ins Tal bewältigt werden.

Close Menu

 
 

Kontakt

Vielen Dank, dass Sie sich diese Webseite angeschaut haben. Ich freue mich über jede Resonanz und bin auf allen Kanälen erreichbar.

Falk Schäfer
Wartburgstraße 42
10823 Berlin

Tel.: +49 / (0)30 / 2850–8050
Fax: +49 / (0)30 / 2850–8049
mobil: +49 / (0)173 / 617–4627
Email: falk.schaefer@ostwaerts-reisen.de