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Ostwärts Reisen

Ararat und Kazbegi - von einem Fünftausender zum anderen

Über Georgien hatten wir nur mit höchster Inbrunst vorgetragene Lobeshymnen vernommen. Freunde, Kollegen und Bekannte preisten unabhängig voneinander die Schönheit der Landschaft, die Gastfreundschaft der Menschen und die Reichhaltigkeit der Küche. Entsprechend hoch waren die Erwartungen, die wir mit unserer ersten Reise dorthin verbanden und die bei weitem übertroffen wurden.

Weil es so schön war, wollten wir im Frühjahr 2020 gleich wieder hin, doch dann brach Corona aus. Sechs Monate später gehörten wir zu den Ersten, die den Umstand nutzten, dass Georgien seine Grenzen wieder vorsichtig öffnete. Und zwar für im Baltikum, in Frankreich oder in Deutschland Lebende, die einen negativen PCR-Test vorweisen konnten. Es war die erste Reise unter diesem besonderen Stern und sie lieferte trotz aller Widrigkeiten noch einmal atemberaubende Blicke und wunderbare Begegnungen.

Nach den Erfahrungen des ersten Corona-Jahres hatten wir nach dem langen Winter-Lockdown auf deutlich sinkende Fallzahlen gesetzt, doch die Mutationen machten uns einen Strich durch diese Rechnung. Wir mussten also wieder umdisponieren und konzentrierten unsere Hoffnungen auf den Herbst. Da waren wir Erwachsenen immerhin geimpft, doch unsere gerade eingeschulte Tochter noch nicht, weshalb wir zum einen das enge Korsett des Ferienkalenders berücksichtigen und zum anderen nach der Rückkehr eine obligatorische fünftägige Quarantäne einkalkulieren mussten. Übrig blieben elf eng getaktete Tage, an denen wir durch Armenien und Georgien hetzten – zusammen mit meinen Eltern, denen wir die Schönheiten unseres neu gewonnenen Herzenslandes nahebringen wollten. Reisen in Corona-Zeiten ist komplex genug, doch die Grenzübertritte von Georgien nach Armenien und wieder zurück bildeten ein zusätzliches Wagnis. Es ist alles gut gegangen. So viel sei im Voraus gesagt.

Georgien hatten wir schon intensiv bereist, doch nun wollten wir mindestens ein weiteres der drei kaukasischen Länder erkunden. Zunächst liebäugelten wir mit einer Fahrt im Nachtzug von Tiflis nach Baku und einem viertägigen Abschluss in der größten kaukasischen Metropole. Die Landesgrenzen zwischen Georgien und Aserbaidschan blieben aber geschlossen und die Züge im Bahnhof, sodass wir uns auf Armenien konzentrierten. Hier war hilfreich, dass ausgewählte Tifliser Mietwagenfirmen seit einigen Jahren die Fahrzeugdokumente derart vorbereiten, dass sie einen Grenzübertritt mit dem Auto ermöglichen. Die entsprechenden Anbieter waren zwar etwas teurer, doch dafür ließ sich ein reibungsloser Transport vom Tifliser Flughafen nach Armenien und wieder zurück gewährleisten.

Gudiashvili-Platz in Tiflis.

Berlin-Tiflis

Ich holte unsere Tochter Soana nach dem letzten Schultag vor den Ferien von der Schule ab und nur wenig später saßen meine Eltern, meine Frau und wir beide im Großraumtaxi in Richtung des neuen Berliner Flughafens. Georgian Airways hatte seinen wöchentlichen Direktflug bedauerlicherweise vom Freitag auf den Mittwoch verlegt, sodass wir mit Air Baltic reisen und in Riga umsteigen mussten. Geplante Ankunft in Tiflis war am Samstagmorgen um halb vier. Trotz der lediglich 50 Minuten Umsteigezeit, von denen nach einer halben Stunde Verspätung nur noch 20 in Riga übrig waren, hatten es die Koffer und auch wir vollzählig nach Tiflis geschafft. Allerdings mussten wir den Typen von der Mietwagenfirma recht lange suchen. Er hatte angekündigt, uns in der Ankunftshalle zu empfangen, hatte es dann aber doch vorgezogen, im Auto zu warten. Und die Papiere für Armenien hatte er auch nicht dabei, versprach aber immerhin, das Problem im Laufe des Tages zu lösen. Unser Mietauto hätte keinen Kubikzentimeter kleiner sein dürfen. In den kommenden Tagen konnten wir die Gepäckverstauung sukzessive optimieren, doch es war noch immer äußerst eng mit fünf Personen und all den Koffern.

Gegen fünf Uhr morgens erreichten wir unser Apartment im pittoresken Tifliser Altstadtviertel Metekhi und schmissen uns allesamt erst einmal in die Betten. Am Mittag starteten wir zu einem ersten Streifzug durch die georgische Hauptstadt.

Blick von der Nariqala-Burg. Mit Papa und meiner Radtasche.

Geld wechseln in Avlabari. Runter zur Metekhi-Kirche. Ein erstes georgisches Essen in der Altstadt, weiter ins Bäderviertel zum Wasserfall am Botanischen Garten, von dort auf die Nariqala-Burg und zur Mutter Georgien. Dann wieder runter über die Betlemi-Kirche zum Freiheitsplatz, über die Touristenmeile Kofe Afkhazi zur Sioni-Kirche und die moderne Fußgängerbrücke in den Rike-Park auf „unsere“ Seite der Kura. Dieser erste Eindruck hätte bei etwas Sonne noch besser gewirkt, reichte aber aus, meinen Eltern Lust auf die letzten beiden Tage unserer Reise zu machen, an denen mehr Zeit für die Erkundung der georgischen Hauptstadt blieb.

Ich kannte das alles schon und war mental ohnehin mit anderem beschäftigt, wartete auf das dringend notwendige Armenien-Dokument für unser Auto und wurde Stunde um Stunde ungeduldiger. Als ich die Hoffnung fast schon aufgegeben hatte, erreichte mich beim Abendessen im Kopala-Restaurant hoch über dem Rike-Park die frohe Kunde. Man hatte mehr als ein Dutzend Notare kontaktiert und sei erst in letzter Minute fündig geworden. Sie brachten mir ein hochamtliches Dokument mit Siegel, Schnur und Stempel – ausgefertigt in Georgisch und Russisch. Das sollte ausreichen.

Unser Metekhi-Viertel bei Nacht.

Skurrile Grenzerfahrungen im zweiten Corona-Herbst

Wir brachen früh auf. Die etwa anderthalbstündige Fahrt bis zur Grenze zog sich durch den mehrheitlich aserbaidschanisch besiedelten Osten Niederkartiliens. Georgien ist auch sonst kein reiches Land, doch hier schienen die Orte besonders verwahrlost. Die eintönige Steppenlandschaft tat ihr Übriges zu diesem eher tristen Eindruck. Kein Wunder, dass diese Region in kaum einem Reiseführer Berücksichtigung findet. Den Grenzübergang Sadakhlo-Bagratashan hatten wir kurz vor zehn Uhr morgens erreicht. Normalerweise ist er rund um die Uhr geöffnet, doch im Schatten von Corona nur noch von 10 bis 18 Uhr. Meine vier Mitinsassen mussten aussteigen und sich separat kontrollieren lassen, während ich das Auto überführte. Die georgische Seite war kein Problem, auf der armenischen wurde es etwas mühseliger. Dazwischen musste auf einer behelfsmäßigen Pontonbrücke in den Gegenverkehr ausgewichen werden, um die gesammelte Lkw-Schlange zu überholen. Geisterfahrt im Niemandsland unter den Augen der versammelten Sicherheitsorgane. Wir waren die Einzigen, die das komisch fanden.

Auch auf armenischer Seite wurden die Fahrgäste wieder separat kontrolliert. Ich blieb im Auto und wurde zunächst aufgefordert, in einem kleinen Kabuff mein Impfzertifikat vorzuzeigen, woraufhin eine Ärztin einen Schnipsel austeilte, den ich wiederum dem Grenzbeamten gab. War alles in Ordnung und auch die notarielle Urkunde für das Auto hatte ausgereicht. Etwas anstrengend war, dass der Zoll sämtliche Koffer durchleuchten wollte. Obgleich ich mich kaum anstellen musste, nahmen die Prozeduren fast eine Stunde in Anspruch. Als alle wieder im Auto waren, hielten wir es für überstanden, doch am Ende des Geländes lauerte eine letzte Schranke, an der man uns wissen ließ, dass unser Auto einen Passierschein für Armenien benötigen würde. Ein freundlicher Armenier meinte, dass es wohl ok gewesen wäre, dem Beamten einen Zehn-Euro-Schein in die Hand zu drücken, doch wir fuhren zurück zum Grenzterminal und ließen uns dort im zweiten Stock den entsprechenden Schrieb ausstellen. Bissel Geld gespart, prinzipienfest geblieben, aber eine weitere halbe Stunde verloren…

Die armenische Seite der Grenze war nicht weniger trist als die georgische. Ein kleiner Supermarkt mit Wechselstube, ein SIM-Kartenladen und ein wenig einladendes WC. Nicht schön das Alles, doch es genügte unseren Bedürfnissen.

Kloster Haghpat.

Je weiter man sich von der Grenze entfernt, desto besser wird es. Das gilt auf beiden Seiten und insbesondere für die Straßen. Die ersten Orte nach dem Übergang hätten wunderbar als Kulisse für dystopische Endzeitfantasien dienen können, doch nach unserer ersten Rast am Kloster Haghpat wurden sowohl die Dörfer als auch die Landschaft lieblicher. Der Klosterkomplex Haghpat ist mehr als tausend Jahre alt, gehört zum UNESCO-Welterbe, ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes und ein herausragendes Beispiel der mittelalterlichen armenischen Sakralarchitektur. Die Anlage erhebt sich hoch über dem Tal des Debed und gibt die Sicht frei auf das weite Plateau auf der gegenüberliegenden Seite. Ein herrlicher Ort, an dem kaum jemand war. Zwei deutsche Kulturreisende, eine armenische Kleinfamilie und ein paar ältere Damen, die vor dem Eingang ihre Waren feilboten.

Verfall, Nebel und der eigenwillige Charme eines alten sowjetischen Kurbades

Vor uns lagen noch knapp zwei Stunden Fahrt und kurz hinter Vanadzor, der drittgrößten armenischen Stadt, öffnete sich der Himmel, erstrahlte in einem herrlichen Blau und setzte die wilde Berglandschaft des (gar nicht so) Kleinen Kaukasus in ein besonderes Licht. In Dilijan steuerte uns Google.maps zielsicher an einen unscheinbaren Apartmentkomplex, an dem nach wenigen Minuten der Vermieter der von uns gebuchten Ferienwohnung erschien. Die Einrichtung war nicht allzu erlesen, dafür jedoch war es sauber und flächenmäßig außerordentlich großzügig. Weil bis zum Abendessen noch Zeit blieb, fuhren wir zum nahegelegenen Kloster Haghartsin, welches deutlich belebter war als Haghpat zuvor. Der Himmel war zwar wieder zugezogen, doch das Areal bot erneut einen plastischen Eindruck von der Spiritualität der armenisch-apostolischen Kirche, der ältesten Staats-Kirche der Welt. Nebenan stärkten wir uns mit süßem armenischem Gata-Brot und fuhren anschließend zurück ins zu dieser Stunde schon recht frostige Dilijan. Wir waren mitten in der sogenannten armenischen Schweiz, dem bevorzugten Kurort der Sowjet-Nomenklatura.

Kloster Haghartsin.

Bedauerlicherweise war vom alten Glanz nicht viel geblieben. Man sah der Stadt an, dass sie dereinst mal etwas hergemacht hatte, doch die Kuranlagen wirkten viel zu überdimensioniert und standen vermutlich auch deshalb weitgehend leer. Der Dauernebel tat sein Übriges zu einem insgesamt eher trostlosen Anblick, doch wir alle waren uns einig, dass wir diesen etwas spröden Charme und vor allem die beiden Klöster auf dem Weg nicht missen wollten. Und überdies waren wir noch immer erleichtert, dass wir in diesen schwierigen Zeiten alle fünf den langen Weg von Berlin nach Tiflis und weiter über die armenische Grenze recht komplikationslos bewältigt hatten.

Die einzig halbwegs vorzeigbare Ecke von Dilijan.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Ein Mietwagen bietet größtmögliche Flexibilität. Der Fahrstil im Kaukasus ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, dafür jedoch nicht allzu aggressiv.

Polizeistreifen und Radarfallen sind recht häufig, sodass man die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht allzu heftig überschreiten sollte. Bestenfalls orientiert man sich an den anderen Verkehrsteilnehmern. Verstöße werden übrigens nicht grenzüberschreitend geahndet. Gerät man also mit einem georgischen Mietwagen in eine armenische Radarfalle, hat man Glück gehabt (es sei denn, man wird unmittelbar danach gestoppt). Die georgische Polizei arbeitet sehr korrekt, weshalb Bestechungen gar nicht erst versucht werden sollten. In Armenien und Aserbaidschan kann es anders sein.

Einige Mietwagenanbieter in Tiflis gestatten die Überführung ihrer Autos ins benachbarte Ausland und bereiten die entsprechenden Dokumente für die Grenze vor. Beabsichtigt man, alle drei kaukasischen Staaten zu bereisen, sollte mit Aserbaidschan begonnen werden, weil die Grenzer dort armenische Stempel im Pass nur ungern sehen.

In Sadakhlo/Bagratashen lässt sich alles Nötige an der Grenze erledigen. Gleiches gilt für den Übergang Red Bridge zwischen Georgien und Aserbaidschan. Die anderen Übergänge zwischen den kaukasischen Staaten bieten keine besondere Infrastruktur. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist ohnehin geschlossen.

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