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Ostwärts Reisen

Hoher Kaukasus und der Abschluss in Mtskheta und Tiflis

Solongo, Soana, meine Eltern und ich waren in den ersten Herbstferien unserer gerade eingeschulten Tochter von Berlin nach Tiflis geflogen, hatten dort ein Auto gemietet und waren über die Grenze nach Armenien gefahren. Vier Tage verbrachten wir in diesem wunderbaren Land, bevor wir an zwei langen Fahrtagen und auf teilweise schwierigen Pisten vom Süden Armeniens in den Norden Georgiens gelangten. Nach Stepanzminda in den einzigen Teil Georgiens, der nördlich der kaukasischen Hauptwasserscheide liegt und somit geografisch zu Europa gehört.

Grenzen, Wehrtürme, Mineralseen und ein malerisches Tal

Sina und Mike hatten wir zwei Jahre zuvor zufällig auf einem Tifliser Kinderspielplatz getroffen. Auch sie kamen aus Berlin, hatten eine Tochter in Soanas Alter und waren mittlerweile zu guten Freunden geworden. Immer wieder schwärmten sie von ihrer Wanderung durch das Trusso-Tal und genau das war der Hauptgrund, weshalb wir diesen Teil Georgiens noch einmal bereisten. Von Stepanzminda ging es erst einmal 18 Kilometer zurück in Richtung Süden. Dort, wo die Georgische Heerstraße den Lauf des Terek verlässt, um zum Kreuzpass aufzusteigen, folgten wir weiter dem Fluss nach Westen in Richtung seiner Quelle. Nun allerdings nicht mehr auf glattem Asphalt, sondern auf einem engen Schotterweg, der von Steinschlag übersät war und sich in teilweise abenteuerlicher Höhe am Fluss entlangschlängelte. Sina und Mike meinten, dass wir uns etwa sieben Kilometer hindurchquälen sollten bis sich das Tal weitet und wir einen kleinen Campingplatz erreichen. Das gelang uns auch, aber Gegenverkehr wäre wirklich schlecht gewesen. Einmal versetzte eine riesige Schafsherde meine Eltern in helle Aufregung. Solongo, Soana und ich kannten das schon, blieben ruhig, öffneten die Fenster und machten Fotos. Man muss einfach anhalten. Schafe, Ziegen, Hunde und die berittenen Hirten würden sich schon irgendwie vorbeidrängeln.

Am Abano-Mineralsee.

Am besagten Campingplatz ließen wir das Auto stehen und begannen unsere Wanderung. Der Himmel war wieder stahlblau und die Temperaturen für diese Jahreszeit äußerst warm. In T-Shirts überquerten wir eine kleine Brücke, stiegen etliche Treppen hinauf und steuerten auf einem abenteuerlich hoch am Berghang entlangführenden Pfad den Abano-Mineralsee an. Der See war zwar größenmäßig eher ein Tümpel, lohnte aber dennoch den Besuch. Sein Wasser war nicht besonders heiß, schien aber dennoch zu kochen, weil so viele Gase ihm entweichen wollten. Es roch bedenklich nach Schwefel und der Abfluss in Richtung des nahen Terek schillerte knallrot von den mineralischen Ablagerungen. Die Landschaft war phänomenal und es ist gut, dass ich hier Bilder sprechen lassen kann. Vom Mineralsee führte der Weg hoch über der verlassenen Siedlung Ketrisi vorbei zum Mönchskloster der zwölf Apostel und weiter zur Zakagori-Festung – insgesamt sechs bis sieben Kilometer. Nachdem wir angekommen waren, bereiteten wir mit den Resten des opulenten Frühstücks in der Unterkunft ein noch immer recht reichhaltiges Picknick und genossen die Aussicht auf das Bergpanorama. Verlassene Wehrtürme, zwei kleine Klöster, verschiedene Bachläufe, die sich hier zum Terek vereinigten, blauer Himmel und der wilde Kaukasus. Die Berge vorne links gehörten zu Südossetien und die vorne rechts zu Russland. In der Ferne war eine kleine Grenzstation zu erkennen, die den wackligen Status Quo in dieser umstrittenen Region bewachte.

Trusso-Tal.

Zurück sollte es auf der anderen Seite des Flusses gehen, doch kurz nach dem Aufbruch wurden wir aufgehalten. Zwei mittelalten Männern, die in dieser entlegenen Gegend weilten, um einen Materiallift instand zu setzen, war es offenbar zu langweilig, nur zu zweit zu trinken, weshalb sie uns zu ihrem Gelage einluden. Eine fantastische Erfahrung, doch es war gar nicht so einfach, sich nach etlichen Trinksprüchen und guten Wünschen wieder zu lösen. Zum Schluss sollten wir uns noch reichlich an den Vorräten bedienen und vor allem der Kuhmilchkäse war eine absolute Wucht. Das sind die Momente, die Georgien zu unserem Herzensland machten. Neben der reichen Kultur, dem guten Essen und den spektakulären Landschaften sind es die Menschen, in die wir uns regelrecht verliebt haben.

Nach wenigen Kilometern waren wir wieder am Auto angelangt. Meinem Vater mit seiner Höhenangst grauste vor der Rückfahrt auf der engen Schotterpiste nah am Abgrund, doch auch hier ging wieder alles gut. In Stepanzminda wollten wir noch zum Dreifaltigkeitskloster hoch über der Darial-Schlucht, doch die Straße war gesperrt. Wir beschlossen, es am nächsten Morgen zu Fuß zu versuchen.

Der letzte Sommertag von Stepanzminda

Unsere Gastgeberin hatte gesagt, dass der Aufstieg zur Gergeti-Dreifaltigkeitskirche etwa eine Stunde in Anspruch nehmen würde. Deutlich weniger als in unserem Georgien-Reiseführer angegeben. Tatsächlich ging es sogar noch etwas schneller, wobei dazugesagt werden muss, dass wir erst einmal so weit wie möglich mit dem Auto vorfuhren. Es war aber noch immer recht strapaziös auf dem schmalen Pfad den steilen Hang hinauf. Die Einzige, die nicht keuchte, war unsere Tochter, der das alles nichts anzuhaben schien. Oben am Kloster bot sich eine atemberaubende Sicht auf das im Tal gelegene Stepanzminda und in der anderen Richtung auf den majestätischen Kazbegi-Vulkan mit seinen insgesamt 5.047 Höhenmetern. Auch das Kloster selbst war sehenswert. Es stammt aus dem 14. Jahrhundert und wird noch immer von Mönchen bewohnt.

Aufstieg zur Gergeti-Dreifaltigkeitskirche.

Es war erst elf Uhr, als wir wieder unten waren und so blieb noch Zeit für alles, was zwischen Stepanzminda und der russischen Grenze lag. Drei Kilometer nördlich von Stepanzminda schmiegt sich das Dörfchen Tsdo wie ein Adlernest in die dramatisch aufragenden Berge. Meinem Vater genügte schon der Anblick der von der Straße abzweigenden und steil hinaufführenden engen Schotterpiste, um sich zu verabschieden und unten auf unsere hoffentlich glückliche Wiederkehr zu warten. Er hat was verpasst und so schlimm war die Anfahrt nun auch wieder nicht. Oben kletterten wir auf eine alte Klosterruine und genossen den weiten Blick über die Darialschlucht, in deren Mitte sich der Lauf des Terek hinzog. Zurück am Auto trafen wir eine alte Oma, die es überaus bedauerte, uns nicht zum Essen einladen zu können. Schließlich wartete mein Vater unten auf uns. Jedenfalls bekamen wir bei dieser Gelegenheit heraus, dass dieser spektakuläre Ort von haargenau vier Einwohnern besiedelt war.

Bergdorf Tsdo.

Weiter ging es zur etwas mehr als zehn Kilometer nördlich von Stepanzminda gelegenen Grenzstation. Wir konnten nur die georgische Seite sehen, weil die russische erst am Ausgang eines langen, durch das Bergmassiv führenden Tunnels folgte. Gekrönt wurde die Szenerie vom Dariali-Klosterkomplex. Erst vor wenigen Jahren wurde hier an der Mündung des Khde-Flusses in den Terek ein wahres Kleinod erschaffen. Eine prächtige Kirche, verschiedene Veranstaltungssäle und ein schöner Garten, der sich terrassenförmig in den Berg hinein zu den Behausungen der Mönche zog.

Mama und Papa wollten sich so weit wie möglich der Grenze nähern und erhielten einen Rüffel aus dem Mund der ansonsten so entspannten georgischen Polizisten. Also lieber wieder ins Auto und weiter zum letzten Highlight des Tages, dem Gveleti-Wasserfall.

Auf dem Weg dorthin war ich versehentlich ins falsche Tal abgebogen. Ein Fehler, der mir rasch verziehen wurde, denn er ermöglichte beeindruckende Ausblicke in einer nahezu menschenleeren Landschaft. Wilde Pferde galoppierten vorüber, ein Fluss donnerte hinunter ins Tal, auf den grünen Bergwiesen weideten Tiere und mitten im Hochgebirgspanorama ein nahezu kreisrunder, schilfbewachsener See, von dem wir später erfuhren, dass er die Liebe im Namen trug.

Im Gveleti-Tal.

Der Parkplatz für den Gveleti-Wasserfall lag fast direkt an der Straße. Weiter hinein kommt man ohne ein geländegängiges Fahrzeug nicht. Zu Fuß ist es dann etwa eine Dreiviertelstunde. Wieder eine Wanderung mit spektakulären Blicken, aber auch einigen gefährlichen Passagen. Zumindest für unsere Kleine und für meinen Vater, den die Höhe sichtlich stresste. Der Fall selbst ist 25 Meter hoch und sein Wasser kommt direkt vom Kazbegi-Vulkan, dessen östlicher Grat hier beginnt. Wer will, kann noch einen kleineren Wasserfall besichtigen. Man muss dazu wieder zurück auf die unbefestigte Schotterpiste und diese noch einen halben Kilometer in den Berg hineinlaufen. Sicherlich auch schön, doch wir verzichteten auf dieses Vergnügen, weil der Himmel bedrohlich zuzog und wir rechtzeitig vor dem großen Regen am Parkplatz sein wollten. Es war 17 Uhr am Abend, wir hatten alles gesehen, saßen gemütlich im Auto, waren auf dem Weg zurück nach Stepanzminda und um uns herum ging die Welt unter. Wir mussten irgendwo auf der Reise versehentlich einen Owoo umrundet haben, jene mongolischen Steinpyramiden, an denen man die Geister um Reiseglück bittet. Es war nicht nur der Starkregen, sondern es hatte einen regelrechten Temperatursturz gegeben. Zwei Tage später würde das Thermometer in Stepanzminda des Nachts auf minus sechs Grad fallen. Wir hingegen wollten aber schon am nächsten Morgen nach Tiflis aufbrechen und dort war Sonne angesagt.

Gveleti-Wasserfall.

Mtskheta und Tiflis

Es ging also noch einmal zurück über den Kreuzpass ins geografische Asien. Dieses Mal fuhren wir die Georgische Heerstraße ohne längere Stopps durch, bis wir kurz vor Tiflis die Autobahn erreichten, die wir nach nur 700 Metern wieder verließen. Wir wollten meinen Eltern einen Ort zeigen, der uns bei den vergangenen Reisen ganz besonders ans Herz gewachsen war. Das Verhältnis von Mtskheta zu Tiflis gleicht jenem zwischen Potsdam und Berlin. Unmittelbar vor den Toren der Metropole erhebt sich an einem großen Fluss eine zwar nicht allzu große, dafür aber äußerst pittoreske alte Stadt, die früher mal das Zentrum eines ganzen Reiches gewesen war.

Wir parkten das Auto und spazierten durch die übersichtliche Altstadt. Natürlich muss man die Swetizchoweli-Kathedrale besuchen und auch das Frauenkloster Samtawro, muss durch die Gassen schlendern und das eine oder andere Souvenir erwerben, unbedingt sollte der Reisende aber auch den sehr nahegelegenen Ort besuchen, an dem Kura und Aragvi zusammenfließen. Neben einer kleinen Kapelle findet sich ein Kieselstrand und es hatte uns schon die letzten beiden Male verwundert, dass dieser Platz mit seiner herrlichen Ruhe und den wunderbaren Blicken nicht mehr Menschen anzog.

Am Zusammenfluss von Kura und Aragvi.

Hoch über dieser Szenerie thronte auf der anderen Flussseite das Jvari-Kloster, welches bei keiner Georgien-Reise fehlen darf. Denn erstens ist dies die älteste Kirche des Landes und zweitens ist die Aussicht auf das alte Mtskheta am Zusammenfluss von Kura und Aragvi schlicht atemberaubend. Die Fahrt nach Jvari ist allerdings etwas umständlich, weil sie über etliche Aus- und Einfahrten von einer Schnellstraße auf die andere, von einem Kura-Ufer an das andere führt und vor dem Beginn der Bergstraße eine spektakuläre Linksausfahrt vorsieht.

Blick vom Jvari-Kloster auf Mtskheta.

Nach 25 Kilometern bzw. etwa 40 Minuten waren wir wieder an unserem ersten TIfliser Apartment angelangt. Eine äußerst intensive Rundreise fand hier ihr Ende. Wir hatten uns intern geeinigt, dass wir an den verbleibenden anderthalb Tagen die georgische Hauptstadt getrennt erkunden wollten, denn bei aller Elternliebe ist ein wenig ungestörte Zeit mit der Kleinfamilie auch kostbar. Mama und Papa waren vermutlich auch froh, den ständig drängelnden „Reiseleiter“ losgeworden zu sein und endlich frei agieren zu können.

So spazierten wir noch einmal zur Sameba-Kathedrale, wieder runter zur verkehrsreichen Baratashvili-Brücke und quer durch die Altstadt, wo wir ein ziemlich hippes Restaurant für das Abendessen fanden.

Tiflis bei Nacht.

Das Programm für den letzten Tag unserer Reise schrieb sich von selbst. PCR-Teststelle für Soana finden und dann mit der Zahnradbahn auf den Mtatsminda-Berg, wo sich die Kleine nach Lust und Laune verlustieren sollte. Das hatte sie sich verdient, denn es ist alles andere als selbstverständlich, dass ein gerade erst sechs gewordenes Mädchen eine solch intensive Reise mit all den langen Fahrten vollkommen klaglos und mit Dauergrinsen im Gesicht absolviert. Geisterschloss, Mini-Achterbahn, Riesenrad, Kinderzoo, Autoscooter. Alles. Und dazu noch die herrliche Aussicht auf die sich unter uns ausbreitende Stadt.

Blick vom Mtatsminda-Berg.

Wieder unten spazierten wir durch die frisch restaurierte Neustadt, wo wir in der Nähe der Dry Bridge auf ein geschmackvoll eingerichtetes Restaurant stießen, in dem wir schon im Jahr zuvor hervorragend gespeist hatten. Zu Hause am Apartment gabs noch einen kleinen Plausch mit den Vermietern und dann musste gepackt werden. Die Abgabe des Mietwagens am nächsten Morgen war problemlos und weil wir dieses Mal mit Georgian Airways direkt flogen, waren wir schon gegen Mittag wieder in Berlin. Soanas PCR-Test hatte wieder einmal niemanden interessiert.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Das Trusso-Tal ist noch immer ein Geheimtipp und in kaum einem Reiseführer verzeichnet. Viele Wanderer absolvieren die gesamte Strecke von der Georgischen Heerstraße bis zum Mönchskloster der Zwölf Apostel. Allerdings ist der Weg ziemlich lang, sind die ersten Kilometer landschaftlich durchaus verzichtbar. Daher macht es Sinn, bis zum Abano-Mineralsee vorzufahren und erst dort das Auto zu parken. Über versehentliche Grenzübertritte muss man sich nicht sorgen, weil das gesamte Tal zu Georgien gehört und Südossetien bzw. Russland erst an den umgebenden Bergflanken beginnen.

Noch einsamer ist das Gveleti-Tal. Um dort hineinzugelangen, folgt man einfach dem Weg durch das gleichnamige Dorf und befährt ihn solange bis sich das Tal öffnet.

Im Mtatsminda-Park von Tiflis können die verschiedenen Attraktionen nur mit der Mtatsminda-Card bezahlt werden, die sich an verschiedenen Stationen aufladen lässt. Die Foto-Angebote am Riesenrad, an der Achterbahn oder im Geisterschloss gehören eher in die Kategorie Geldschneiderei, womit sich Mtatsminda nur wenig von anderen Freizeitparks unterscheidet. Alternativ zur Zahnradbahn kann man den Berg auch per Bus oder mit dem eigenen Auto erreichen. Eine weitere Option ist der herrliche Fußweg, der von der Nariqala-Burg über die Mutter-Georgien-Statue und den Palast des Oligarchen Iwanischwili zum Park führt. Immer hoch über der Stadt mit herrlichen Ausblicken.

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